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Resistenzen eindämmen: Antibiotika-Monitoring in der Tiermedizin

Dossiers - Antibiotikaresistenzen

Resistenzen eindämmen: Antibiotika-Monitoring in der Tiermedizin

19.11.2023

Das Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin (IS ABV) ist Bestandteil der Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) des Bundes. Seit dem 1. Januar 2019 erfassen Tierärztinnen und Tierärzte ihre Antibiotikaverschreibungen im System. Die Datenbank ermöglicht den Einsatz von Antibiotika bei Heim- wie Nutztieren zu verfolgen.

In zwei Berichten hat der Bund 2022 aufgezeigt, wie Antibiotika bei Heimtieren und Nutztieren eingesetzt werden. Basis ist ein kontinuierliches Monitoring: Neu müssen alle Tierärztinnen und Tierärzte ihre Antibiotika-Verschreibungen im Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin erfassen, sowohl für Tiergruppen, einzelne Tiere als auch wenn die Abgabe auf Vorrat geschieht. Damit soll langfristig die Wirksamkeit von Antibiotika bei Mensch und Tier sichergestellt sowie zur Eindämmung von Resistenzen beigetragen werden.

Die im IS ABV erfassten Daten ermöglichen, Rückschlüsse auf den Verbrauch von Antibiotika in Tierarztpraxen oder in der Nutztierhaltung zu ziehen. Des Weiteren können bei Hinweisen auf einen übermässigen oder unsachgemässen Antibiotikaeinsatz gezielte Abklärungen zu möglichen Ursachen eingeleitet und dementsprechend Massnahmen getroffen werden. Ob diese ihre Wirkung entfalten oder ob zusätzliche Massnahmen notwendig wären, kann ebenso durch die Datenerfassung ermittelt werden.

Sinkende Antibiotika-Produktion und -Abgabe

Seit 2011 sind die Antibiotika-Vertriebszahlen für die Behandlung von Tieren jährlich gesunken, der gesamte Rückgang beträgt 51 Prozent.[1] Die Zahlen werden jedes Jahr im vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) verfassten "ARCH-Vet Bericht" veröffentlicht, in dem die Antibiotikavertriebs- und Resistenzdaten der Veterinärmedizin erfasst sind. Auch die Abgabemenge der kritischen Antibiotika ist seit 2016 stark gesunken. Unter die kritischen Antibiotika fallen die Wirkstoffe mit der höchsten Priorität für die Humanmedizin, welche generell sehr restriktiv eingesetzt werden sollen. Gewisse kritische Antibiotikaklassen dürfen seit der Revision der Tierarzneimittelverordnung (TAMV, SR 812.212.27) per 1. April 2016 nicht mehr auf Vorrat abgegeben werden. Der Verbrauch nahm bezogen auf die Gesamtmenge im Jahr 2013 um 80% ab.[2]

Im Januar 2022 wurde ein erster Bericht mit den Verschreibungen von Antibiotika bei Nutztieren in der Schweiz veröffentlicht, basierend auf den Daten von 2020. Es ist das erste Jahr seit der Einführung des IS ABV, in dem alle Daten systematisch vollständig erfasst wurden. Ausgewertet wurden die Antibiotikamengen, die Anzahl Verschreibungen und die Anzahl Tierbehandlungen, dies in der Einzelkategorie Nutztiere. Jedoch erfolgte die Auswertung in absoluten Zahlen, sie wurden noch nicht ins Verhältnis zur Anzahl Tiere gesetzt. Deswegen enthält der Bericht nur erste Hinweise zur Behandlungsintensität.

Anzahl Tierbehandlungen als wichtige Kennzahl

Die Behandlungsintensität bietet einen Überblick, wie viele Behandlungen mit Antibiotika in einer Nutztierkategorie erfolgt sind. Diese Kennzahl muss jedoch mit Vorsicht gesehen werden: eine grosse Anzahl Tierbehandlungen kann bei einer Population mit vielen Tieren einer Kategorie im Verhältnis niedrig sein; hingegen kann eine kleine Anzahl therapierter Tiere bei kleineren Populationen im Verhältnis hoch sein. Die Anzahl Tierbehandlungen wird zukünftig weiterhin eine der wichtigen Kennzahlen sein, vor allem dann, wenn sie ins Verhältnis zur Populationsgrösse gesetzt wird.

Fazit: Die Datenqualität muss für einen nächsten Bericht verbessert werden. Zugleich gibt er einen ersten Überblick und stellt fest, dass die Menge der verkauften Antibiotika in der Veterinärmedizin seit Jahren zurückgeht. Es hat sich aber auch gezeigt, dass Antibiotika mit kritischen Wirkstoffen noch oft auf Vorrat abgegeben werden, obwohl dies grundsätzlich nur unter klar definierten Umständen toleriert wird. Hierzu werden mit den kantonalen Veterinärbehörden weitere Abklärungen erfolgen.

Einsatz bei Heimtieren: "First-Line-Antibiotika"

Im März 2022 wurde auch ein erster Bericht zu den Verschreibungen von Antibiotika bei Heimtieren veröffentlicht. Dieser zeigt sowohl die Anzahl Behandlungen als auch die Wirkstoffmengen für Antibiotikabehandlungen bei Hunden, Katzen und Huftieren auf. Laut dessen verschrieben die Tierärzte und Tierärztinnen vor allem sogenannte «First-Line-Antibiotika». Das zeigt, dass die Tierärzteschaft die Empfehlungen der guten Verschreibungspraxis umsetzt.

Katzen erhalten im Vergleich mit Hunden und Huftieren häufiger kritische Antibiotika. Es handelt sich dabei teilweise um lang wirksame Präparate, die nur langsam ausgeschieden werden. Die erhöhte Abgabe bei Katzen ist auf den Umstand zurückzuführen, dass es nicht immer einfach ist, ihnen oral Medikamente einzugeben. Auch dieser Bericht zeigt auf, dass die Datenqualität noch verbessert werden muss, aber dass die Menge der verschriebenen Antibiotika bei den Heimtieren grundsätzlich rückläufig ist.

Verkauf von Antibiotika geht seit Jahren zurück

Auch der IS ABV Bericht 2021, der sowohl die Kennzahlen der Nutz- als auch der Heimtiere auswertet, zeigt auf, dass die Menge der verkauften Antibiotika in der Veterinärmedizin seit Jahren zurück geht. Auch die Datenqualität verbessert sich konstant, es sind jedoch noch weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Datenqualität notwendig. Während im Bericht 2020 nur absolute Zahlen bezüglich Wirkstoffmenge, Anzahl Verschreibungen und Tierbehandlungen präsentiert wurden, konnten im Bericht 2021 unter Einbezug der Grösse der verschiedenen Nutztierkategorien zusätzlich die Anzahl Tierbehandlungen pro 1’000 Tiere und Therapietage pro Tier berechnet werden. Trends können aus den Daten von zwei Jahren noch nicht mit Sicherheit abgeleitet werden. Dennoch geben insbesondere die populationsbezogenen Zahlen wertvolle Hinweise, welche Bereiche genauer angesehen werden müssen.

Wunsch der Industrie nach einfacherem IS ABV Zugang

scienceindustries und die veterinärpharmazeutische Industrie zeigten sich mit Blick auf das IS ABV stets kooperativ und begrüssen die Entwicklungen der Massnahmen im Kampf gegen die Antibiotikaresistenz. Dennoch wünscht sich die Industrie eine Vereinfachung des Zugangs zum IS ABV: Die momentane Zuordnung mittels BUR-Nummer (Betriebs- und Unternehmensregister-Nummer[3]) ist ungenügend und verkompliziert die Anwendung.

Die Industrie wünscht sich eine weitere Verwendung der GLN-Nummer (Global Location Number[4]), da diese im Vergleich zur BUR-Nummer öffentlich zugänglich ist. Das jährliche Zusenden der aktuellen BUR-Listen durch das Bundesamt für Lebensmittel und Veterinärwesen (BLV) und der entsprechende Abgleich durch die Industrie verursachen einen grossen Aufwand, wobei die BUR-Nummern teilweise nicht herausgefunden werden können.

 


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