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Dossiers - Wettbewerbsfähigkeit

Internationale Steuerreform zielt auf Schweizer Standortvorteil

23.06.2022

Seit längerem wird bei der OECD in Paris an der Neuverteilung der Unternehmenssteuererträge gearbeitet. Der Fokus des Projekts liegt aber, entgegen seiner Bezeichnung, nicht auf Digitalkonzernen. Stattdessen sollen die Gewinne sämtlicher internationaler Unternehmen global «gerechter» verteilt werden. Gerecht bedeutet, dass anstelle des Staats der Leistungserbringung, jener des Absatzmarkts einen viel grösseren Anteil vom Steuerkuchen erhalten soll. Staaten wie die Schweiz, die ihre Steuereinnahmen stark in die Bildung und die gute Infrastruktur investieren, dürften davon stark betroffen sein. Umso wichtiger ist es, dass die nationale Umsetzung die Standortattraktivität auch in Zukunft sicherstellt.

Im Oktober 2015 präsentierte die OECD die Empfehlungen und Mindeststandards des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting). Die Neuerungen führten bei internationalen Unternehmen zu erheblichen Anpassungen. Wichtige Neuerungen waren das Country-by-Country Reporting (länderbezogene Berichterstattung nach Massgabe der versteuerten Gewinne, des Personals etc.), das Verbot einer Vielzahl von Steuerregimes und die Anpassungen beim Transfer Pricing (z.B. der Fokus auf DEMPE-Funktionen bei Immaterialgüterrechten wie Marken- oder Patentrechten).

Schweiz hat Grossteil der BEPS-Neuerungen bereits beschlossen

Ziel der Neuerungen war die Besteuerung der Gewinne am Ort der Wertschöpfung d.h. am Ort, wo ein Unternehmen seine Gewinne erwirtschaftet und, wo dieses die für die Gewinnerzielung nötige Substanz und Funktionen aufweist. Die Schweiz als Kleinstaat mit wichtigen Wertschöpfungsfunktionen vieler internationaler Konzerne, gehörte tendenziell zu den Gewinnern der BEPS-Neuerungen. Infolge der Referendumsabstimmung am 19. Mai 2019 zur AHV- und Steuervorlage hat die Schweiz den Grossteil der BEPS-Neuerungen gesetzlich verabschiedet.

Eine Aktion des BEPS-Projekts konnte im Oktober 2015 wegen fehlendem internationalem Konsens nicht abgeschlossen werden (die Besteuerung der digitalen Wirtschaft). Obwohl die Auswirkungen der zahlreichen BEPS-Neuerungen noch nicht vollumfänglich gemessen und untersucht werden können, macht sich in verschiedenen Staaten bereits Frustration breit. Entgegen der Hoffnungen vieler Staaten, haben die Neuerungen zu keiner Zunahme der Steuereinnahmen von Unternehmen, insbesondere von internationalen Konzernen geführt. Dies trifft hauptsächlich auf Staaten zu, die es versäumt haben, wichtige Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen umzusetzen.

OECD schliesst erste Vernehmlassung ab

Im Februar/März 2019 hat die OECD respektive das breiter abgestützte «Inclusive Framework on BEPS» mit über 125 Mitgliedstaaten eine Vernehmlassung zu einer erneuten erheblichen Umgestaltung der internationalen Unternehmensbesteuerung durchgeführt. Unter dem Begriff «Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft» wurden verschiedene Modelle zur Diskussion gestellt.

Die Modelle gehen in zwei Grundrichtungen: Die Modelle der ersten Grundrichtung (sog. 1. Säule) geben vor, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Unternehmen wegen der Digitalisierung in vielen Staaten gar nicht mehr mit Tochtergesellschaften operieren müssen, um am dortigen Markt aktiv zu sein und Gewinne erzielen zu können. Die Modelle wollen, dass internationale Konzerne – von denen die Schweiz namhafte Steuerzahlungen vereinnahmt – einen grösseren Teil ihrer Gewinne in den Ländern der Absatzmärkte versteuern. Während diese mehr erhalten, sollen jene Staaten weniger bekommen, in denen gemäss den 2015 verabschiedeten BEPS-Vorgaben die Wertschöpfung erfolgt. Die Modelle der zweiten Grundrichtung (sog. 2. Säule) wollen global Mindestbesteuerungs- und CFC-Vorgaben (Controlled Foreign Corporation Rules) einführen, um den steuerlichen Wettbewerb einzuschränken.

Wahrung der Standortattraktivität als oberstes Ziel im Rahmen der nationalen Umsetzung

Seit die OECD im Dezember 2021 die Modellregeln der globalen Mindestbesteuerung beschlossen hat, laufen in der EU und in OECD-Staaten Umsetzungsprojekte. Unternehmen, die in der Schweiz unter 15 Prozent besteuert werden, drohen somit Zusatzbesteuerungen im Ausland. Der Bundesrat hat deshalb eine Verfassungsänderung für eine besondere Besteuerung grosser Unternehmen vorgeschlagen und dazu vom 11. März bis 20. April 2022 eine Vernehmlassung durchgeführt.

scienceindustries unterstützt den Umsetzungsplan des Bundesrates. Grossunternehmen werden so vor Zusatzbesteuerungen im Ausland geschützt. Die Erhebung der Ergänzungssteuer durch die Kantone entspricht zudem der geltenden Ordnung. Kantone sind bereits heute für die Veranlagung und den Bezug der Firmensteuer zuständig. Der Bund erhält jährlich über 12 Milliarden Franken an Unternehmenssteuern und hat darum alles Interesse, dass die Kantone attraktiv bleiben.

Notwendiger finanzieller Spielraum für die Kantone

Der Bund selbst kann den Standort mit allgemeinen Massnahmen wie der nötigen Reform der Verrechnungssteuer verbessern. Gezielt auf den Schaden der OECD-Mindeststeuer reagieren - wirksam und kosteneffizient - können nur die Kantone. Sie sind am besten in der Lage, die Standortattraktivität der Schweiz in Zukunft sicherzustellen. scienceindustries schlägt daher vor, ihnen den dafür notwendigen finanziellen Handlungsspielraum vollumfänglich zu gewähren.


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