Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

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Positionspapier zum Institutionellen Abkommen mit der EU

Die Industrien Chemie Pharma Life Sciences haben aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung ein vitales Interesse an der Bewahrung der bilateralen Abkommen mit der EU.

01.03.2019

Chemie Pharma Life Sciences braucht die bilateralen Abkommen

Die Industrien Chemie Pharma Life Sciences haben aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung ein vitales Interesse an der Bewahrung der bilateralen Abkommen mit der EU und unterstützen deren Stabilisierung durch einen institutionellen Überbau. Aus der Perspektive der forschungsintensiven, exportabhängigen chemisch-pharmazeutischen Industrie sind die bilateralen Abkommen mit der EU ein wichtiger Standortfaktor ohne Aussicht auf eine gleichwertige Alternative. Die Ablehnung des vorliegenden institutionellen Abkommens (InstA) setzte unsere Mitgliederfirmen somit erheblichen wirtschaftlichen Risiken aus.

Nach eingehender Analyse des InstA kommen wir zum Ergebnis, dass dieses die Souveränität der Schweiz in den wesentlichen Aspekten respektiert. Wünschenswert wären Klärungen zum Umfang des Rahmenabkommens (Ausschluss des Freihandelsabkommens) sowie die Beschränkung der Pflicht zur dynamischen Rechtsübernahme durch die Schweiz auf Marktzugangsregeln, insbesondere in Bezug auf eine allfällige künftige Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL). Damit kann das InstA ohne wesentliche Benachteiligungen für die Schweiz samt deren Wirtschaft und ohne Gefährdung des Freihandelsabkommens durch den Bundesrat ratifiziert werden.

Die klassischen Marktzugangsabkommen (Bilaterale I) zwischen der Schweiz und der EU sind sowohl aus branchenspezifischer als auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive äussert bedeutend. Zwei Studien im Auftrag des SECO aus dem Jahr 2015[1] belegen, dass infolge eines Wegfalls der Bilateralen I das schweizerische Bruttoinlandprodukt (BIP) im Jahr 2035 um 4,9% bzw. 7,1% tiefer liegen würde als bei einer Fortsetzung dieser Verträge. Dies entspricht einer kumulierten BIP-Einbusse bis 2035 von 460 bis 630 Mrd. CHF oder etwa einem damaligen Jahreseinkommen der Schweizer Volkswirtschaft; verursacht durch ein geringeres Arbeitsangebot, höhere Kosten für die Rekrutierung von Arbeitskräften, neue Handelsbarrieren und einen eingeschränkten Marktzugang.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist mit einem Exportanteil von 45% die grösste Exportindustrie der Schweiz und damit ein wesentlicher Eckpfeiler deren Wirtschaft. Mit einem Anteil von 47.8% an den Gesamtexporten und einem Anteil von 78.5% an den Gesamtimporten der Chemie Pharma Life Sciences Industrien ist die EU der wichtigste Handelspartner. Die Bilateralen Abkommen sind eine Voraussetzung für den geregelten Zugang zum EU-Binnenmarkt und damit ein wichtiger Standortfaktor für internationale Unternehmen in der Schweiz. Insbesondere den Verträgen über die technischen Handelshemmnisse, die Personenfreizügigkeit und die Forschung kommt im operativen Geschäft eine zentrale Bedeutung zu.

Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) ermöglicht den Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie die Sicherstellung eines raschen Marktzugangs und vermindert aufgrund von Inspektionsanerkennungen den administrativen Aufwand – ein Wegfallen, aber auch bereits ein Einfrieren dieses Abkommens würde einen erheblichen Mehraufwand für die Unternehmen bedeuten. Dank den Bilateralen I können sodann Arbeitnehmende aus der Schweiz im EU-Raum eine Stelle annehmen und umgekehrt, was gerade für die forschende chemisch-pharmazeutische Industrie mit hochspezialisierten Arbeitskräften wichtig ist. Allein die zehn grössten Unternehmen der Branche beschäftigen rund 101'000 Personen (31%) im europäischen Raum. Eine möglichst unbürokratische Allokation der bestgeeigneten Arbeitskräfte am richtigen Ort erleichtert die Forschungs- und Geschäftstätigkeit wesentlich. Dass die Schweiz hier gut positioniert ist, haben die vergangenen Jahre gezeigt: Das Freizügigkeitsabkommen (FZA) hat nicht zu einer Verdrängung der hiesigen Arbeitskräfte geführt. Schliesslich ist auch das Forschungsabkommen wichtig. Die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie ist in modernen Technologien führend und mit rund 6.2 Mrd. CHF (BfS 2015) für mehr als ein Drittel aller Forschungsausgaben in der Schweiz verantwortlich. Die künftige Partizipation der Schweiz an den europäischen Forschungsrahmenprogrammen (z.B. Horizon 2020) wäre ohne die Bilateralen Abkommen sehr gefährdet.

Bei einem Wegfallen der Bilateralen I würden Anerkennungen von Konformitätsbewertungen auslaufen, die Rekrutierung und somit Aktivität in der Schweiz erschwert und die Forschungszusammenarbeit wohl reduziert, kurzum: der Wirtschaftsstandort Schweiz würde im internationalen Standortwettbewerb erheblich geschwächt.

Nach eingehender Analyse des InstA kommen wir zum Ergebnis, dass dieses die Souveränität der Schweiz in den wesentlichen Aspekten respektiert. Wünschenswert wären Klärungen zu wenigen Themen: scienceindustries stellt sich auf den Standpunkt, dass das Freihandelsabkommen (FHA) von 1972 auch nach dessen Modernisierung nicht unter das InstA fallen sollte. Eine solche Verknüpfung existiert in keinem anderen FHA der EU und würde zu einer Ungleichbehandlung der Schweiz gegenüber anderen FHA-Partnern der EU führen. Mit Bezug auf die UBRL gilt es klärend festzuhalten, dass die Pflicht zur dynamischen Rechtsübernahme durch die Schweiz auf Marktzugangsregeln beschränkt bleibt. Der Bundesrat sollte deshalb eine klare Abgrenzung jener binnenmarktrelevanter Vorschriften von denjenigen, die über diesen Bereich hinausgehen und welche deshalb nicht der dynamischen Rechtsübernahme unterliegen, vornehmen.

Die vorteilhaften Bedingungen des Marktzugangs für Unternehmen gehen unbestritten mit dem Erhalt der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU einher, stabilisiert alsdann durch einen institutionellen Rahmen. Es gilt daher klar abzuwägen, welche Folgen eine Zurückweisung des nun unterbreiteten Entwurfs für die Schweiz und deren Volkswirtschaft haben würde. Wir sind der Ansicht, dass schleichende Nachteile beim Marktzutritt wirtschaftlich schädlicher einzustufen sind, als hypothetische Uneinigkeiten in der Zukunft. Die Schweiz ist gut beraten, im Diskurs um das InstA an ihrem bewährten Pragmatismus festzuhalten. Verständlicherweise ist sie – soll von den vielen Vorteilen eines gemeinsamen Binnenmarkts auch künftig profitiert werden – auf eine gewisse Kompromissbereitschaft mit der EU angewiesen. Ein Scheitern des InstA würde die Schweizer Wirtschaft – insbesondere die Exportindustrie – härter treffen, als allfällige nachteilige Auswirkungen zukünftiger Uneinigkeiten.

Angesichts der Bedeutung des bilateralen Wegs für die Schweiz und für die Industrien Chemie Pharma Life Sciences im Besonderen sind wir der Meinung, dass im Sinne der Schaffung von Rechtssicherheit das InstA momentan der beste verfügbare Kompromiss darstellt. Denn setzt die EU-Kommission ihre Ankündigung vom 17. Dezember 2018, bestehende Abkommen nicht mehr anzupassen und keine neuen Abkommen mit der Schweiz zu verhandeln, um, wäre nicht nur die Anerkennung der Börsenäquivalenz, sondern auch die bilateralen Handelsverträge faktisch gefährdet. Die Schweiz muss sich bewusst werden, dass ihr politischer Handlungsspielraum in dieser Debatte beschränkt ist; Nachverhandlungen mit der EU erachten wir als unrealistisch.

Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Schweizer Chemie Pharma Life Science Industrien ein vitales Interesse dran haben, die bilateralen Abkommen mit der EU zu bewahren und fortzuentwickeln. Dies ist nur durch deren Stabilisierung mittels eines institutionellen Überbaus zu erreichen. Gleichwertige Alternativen sind zurzeit nicht erkennbar. Deshalb unterstützt scienceindustries das ausgehandelte institutionelle Abkommen, und wünscht sich vom Bundesrat die Klärung der dargelegten Punkte.

Download: Positionspapier zum Institutionellen Abkommen mit der EU (PDF)


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