Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

Publikationen - Vernehmlassungsantworten

Stellungnahme zur Änderung des Gentechnikgesetzes

Änderung des Gentechnikgesetzes: scienceindustries betont Chancen neuer Technologien und lehnt Verlängerung des Gentech-Moratoriums ab

24.02.2021

Änderung des Gentechnikgesetzes: scienceindustries betont Chancen neuer Technologien und lehnt Verlängerung des Gentech-Moratoriums ab

Zürich, 24. Februar 2021

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Sommaruga

Sehr geehrte Damen und Herren

      Wir danken Ihnen für die Einladung vom 11. November 2020 zur Teilnahme an der Vernehmlassung, und lassen Ihnen gerne die Stellungnahme unseres Verbandes zukommen.

Grundsätzliche Bemerkungen

Bei der Frage nach einer weiteren Verlängerung des Gentech-Moratoriums geht es nicht nur um die Nutzung moderner Züchtungsverfahren für die Schweizer Landwirtschaft, sondern grundsätzlich um den politischen Umgang mit Innovationen.

  • Innovative genetische Technologien bieten Chancen. Ihre Regulierung muss dem wissenschaftlichen Fortschritt angepasst werden. Die Bio- und Gentechnologie spielt in vielen Anwendungsbereichen, nicht nur in der Landwirtschaft, weltweit eine immer wichtigere Rolle. Neue Verfahren wie die Genomeditierung beschleunigen diese Entwicklung, aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz hinken dem wissenschaftlichen Fortschritt hinterher. Statt auf Verbote zu setzen, müssen im Dialog mit allen Kreisen praxisgerechte und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen entwickelt werden.

 

  • Eine erneute Moratoriums-Verlängerung blockiert erforderliche Innovationen für eine nachhaltigere Landwirtschaft und verhindert den gesellschaftlichen Diskurs. Moderne Züchtungsverfahren ermöglichen die Entwicklung von Nutzpflanzen, welche den sich ändernden Rahmenbedingungen der Landwirtschaft Rechnung tragen und Ziele der Schweizer Agrarpolitik unterstützen. Ungewisse Zukunftsaussichten aufgrund eines immer wieder verlängerten Zulassungsverbots verhindern aber in der Schweiz den praktischen Einsatz innovativer Züchtungsverfahren und eine gesellschaftliche Diskussion anhand konkreter Beispiele.

 

  • Eine erneute Moratoriums-Verlängerung schadet dem Innovationsstandort Schweiz. Mit einer weiteren Verlängerung droht das ursprünglich befristete Technologieverbot für gentechnisch verbesserte Nutzpflanzen zu einem Dauerzustand zu werden. Technologieverbote ohne gleichzeitige konstruktive Ansätze für eine Lösung haben eine lähmende Wirkung und senden ein problematisches, innovationsfeindliches Signal, das sich auch auf andere Bereiche (wie z. B. die Hochschulforschung oder andere Wirtschaftsbranchen) auswirken kann. scienceindustries spricht sich entschieden gegen wissenschaftlich nicht gerechtfertigte staatliche Technologieverbote aus.
     

scienceindustries lehnt daher die vorgeschlagene weitere Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis 2025 entschieden ab. Zugleich fordern wir die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für neue gentechnische Verfahren an den wissenschaftlichen Fortschritt, um die Chancen der neuen Technologien auch für die Schweiz nutzbar zu machen.

Begründung

Neue Krankheiten und Schädlinge sowie die Folgen des Klimawandels wirken sich auch in der Schweiz zunehmend auf die Landwirtschaft aus. Zugleich steigen die gesellschaftlichen Erwartungen an eine ressourcen- und umweltschonende landwirtschaftliche Produktion. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist die Entwicklung von Nutzpflanzen mit entsprechend verbesserten Eigenschaften ein wichtiges Ziel der Pflanzenzüchtung. So erlauben resistentere Pflanzen eine Reduktion des Pflanzenschutzmittel-einsatzes, und entsprechen damit einer wichtigen gesellschaftlichen Forderung. Innovative Züchtungsverfahren, auch unter Einsatz der Gentechnik, können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten und Fortschritte ermöglichen, die mit der klassischen Züchtung gar nicht oder nur sehr langsam zu erreichen sind. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele aus der weltweiten Forschung und Entwicklung. In vielen Ländern werden derart verbesserte Pflanzen auch bereits seit Jahren verbreitet in der landwirtschaftlichen Praxis eingesetzt.

 

An der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz wurden mit etablierten gentechnischen Verfahren (Transgenese, Cisgenese) entwickelte Pflanzen, wie Gerste und Mais mit verbesserter Pilzresistenz, Weizen mit verbesserter Mehltauresistenz, Apfelbäume mit verbesserter Feuerbrandresistenz sowie Kartoffeln mit verbesserter Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule, erfolgreich im Freiland geprüft. Allerdings verhindert das pauschale Anbau-Moratorium die differenzierte Fall-zu-Fall Beurteilung und Diskussion von vielversprechenden Entwicklungen im Bereich der Pflanzenzüchtung. Es ist damit schädlich für die Landwirtschaft in der Schweiz und ganz allgemein für den gesellschaftlichen Umgang mit Innovationen.

Das aktuell geltende, immer wieder verlängerte undifferenzierte Technologieverbot für innovative Züchtungsverfahren für die Landwirtschaft macht es ungewiss, ob und wann mit diesen Methoden verbesserte Pflanzen in der Schweiz angebaut werden können. Damit wird der Einsatz dieser Technologien in der Pflanzenzüchtung blockiert – die beschränkten Ressourcen sollen nicht auf Züchtungsprogramme verschwendet werden, deren Resultate nicht in der Praxis eingesetzt werden können. Das ist besonders augenfällig bei der Genomeditierung, der Pflanzenzüchter weltweit ein grosses Potential beimessen und die in vielen Ländern, auch in Europa, in Züchtungsprogrammen verwendet wird.

Problematische Regulierungstendenzen für neue Züchtungsverfahren

Laut dem erläuternden Bericht will der Bundesrat den Geltungsbereich des Gentechnik-Moratoriums auch auf diese neuen Verfahren (z. B. CRISPR/Cas9) ausweiten. Die pauschale Einstufung aller Produkte der Genomeditierung – auch solcher ohne artfremde Erbinformation, die jederzeit in der Natur durch spontane Mutationen entstehen könnten – als «gentechnisch veränderte Organismen» (GVO) durch den Bundesrat erfolgte ohne eindeutige rechtliche Grundlagen aufgrund interner Entscheidungen und eines nicht veröffentlichten Aussprachepapiers. Künftig könnten auch ungerichtete Mutagenese-Ansätze (wie das Epibreed-Verfahren) oder andere neue Verfahren ohne «history of safe use» diesen restriktiven Regelungen für GVO unterstellt werden.

In der Schweiz finden daher Werkzeuge der modernen Pflanzenzüchtung wie die Genomeditierung nach Auskunft von Experten mangels Aussicht auf einen Anbau keine Anwendung für die Entwicklung lokal angepasster Sorten, obwohl das Potential der neuen Züchtungsverfahren in der «Strategie Pflanzenzüchtung 2050» des Bundes hervorgehoben wurde. Damit wird speziell die Innovationsfähigkeit von kleineren Züchtungsunternehmen in der Schweiz deutlich eingeschränkt, die auf den lokalen Markt ausgerichtet sind.

Gemäss erläuterndem Bericht zur Moratoriums-Verlängerung sind die Departemente UVEK und WBF zum Schluss gekommen, dass die bestehenden Gesetzesgrundlagen genügend Flexibilität bieten, um Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren zu beurteilen. Trotzdem führt der Bundesrat die noch unklaren rechtlichen Grundlagen für innovative Züchtungsverfahren als ein Grund für die Moratoriums-Verlängerung an. Das ist bedauerlich, weil es gerade der Bundesrat seit Jahren versäumt hat, den Rechtsrahmen dem rapiden wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen. Im erläuternden Bericht scheint der Bundesrat keinen dringenden Handlungsbedarf zu erkennen, und schreibt: «Die Ausarbeitung allfälliger Vorschläge für Ausführungsbestimmungen ist verfrüht». Der Plan einer weiteren, diesmal vierten Verlängerung des seit 2005 geltenden Moratoriums ohne gleichzeitig erkennbare Bestrebungen zur Ausgestaltung der erforderlichen Rahmenbedingungen lässt Zweifel am politischen Willen des Bundesrats aufkommen, einen zukunftsgerichteten Umgang mit neuen Technologien in diesem Bereich zu ermöglichen.

Im Interesse einer nachhaltigen Pflanzenzüchtung und auch des Forschungs- und Innovationsstandortes Schweiz sollten möglichst bald die notwendigen Rahmenbedingungen im Bereich Pflanzenzüchtung geschaffen werden, um von einem pauschalen Verbot wegzukommen und eine differenzierte Fall-zu-Fall Beurteilung zu ermöglichen.

scienceindustries beantragt daher die ersatzlose Streichung von Artikel 37a GTG nach Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2021.

Zugleich betont scienceindustries den grundsätzlichen Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen für neue genetische Technologien, um den Innovationsstandort Schweiz und seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wir fordern den Bundesrat auf, die für breite Anwendungsgebiete (auch ausserhalb der Landwirtschaft) erforderlichen und bereits 2018 angekündigten differenzierten, risikobasierten Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen im Bereich Gentechnik (z. B. für die Genomeditierung) an den wissenschaftlichen Fortschritt im Austausch mit den betroffenen Kreisen voranzutreiben.

Ein wichtiger zu klärender Punkt dabei ist auch der Umgang mit Importen aus dem Ausland, da in vielen Ländern liberale Regelungen für den Umgang mit genomeditierten Produkten gelten und Nachweisverfahren für einen technischen Ursprung genetischer Veränderungen in den meisten Fällen nicht existieren. Mit zunehmendem Einsatz der Genomeditierung in den Ursprungsländern der Waren wird dies Importeure von Lebens- und Futtermitteln zunehmend vor Probleme stellen, da sie die in der Schweiz als GVO eingestuften Produkte nicht als solche erkennen können. Auch für Pflanzenzüchter wird die Verwendung von Zuchtlinien aus dem Ausland in Frage gestellt, wenn sie nicht ausschliessen können, dass Genomeditierung bei deren Entwicklung eingesetzt wurde. Grundsätzlich sollte bei der Beurteilung eines neuen Produktes der Fokus vor allem auf dessen tatsächlichen Eigenschaften liegen. Eine unterschiedliche Einstufung gleichartiger Produkte rein aufgrund unterschiedlicher Herstellungsverfahren ist schwer nachvollziehbar, und wissenschaftlich nicht gerechtfertigt.

scienceindustries unterstützt die Entwicklung von dem Risiko angemessenen, vorhersehbaren, wissenschaftsbasierten und nicht-diskriminierenden Rahmenbedingungen für neue Technologien. Durch solche Regelungen kann dem Potential innovativer Entwicklungen Rechnung getragen werden, ohne diese dabei durch unangemessen hohe Hürden einzuschränken. Dadurch würden auch Chancen für eine verbesserte Nachhaltigkeit in verschiedenen Wirtschaftszweigen eröffnet.

Für die Kenntnisnahme unserer Stellungnahme und für die Berücksichtigung unserer Anträge und Bemerkungen danken wir Ihnen bestens.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Stephan Mumenthaler                                                                             Dr. Jan Lucht

Direktor scienceindustries                                                                            Leiter Biotechnologie


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