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Positionspapier: Produktion und Lagerhaltung in der Schweiz

Wäre es sinnvoll, Medikamente vermehrt in der Schweiz herzustellen, um Versorgungsengpässe auszuschliessen? Leider ist das weder praktikabel noch effizient.

14.05.2020

Vom Vorstand verabschiedet am 14. Mai 2020

Die Versorgungslage für bestimmte Medikamente, Ethanol, Desinfektionsmittel und persönliche Schutzmaterialien war während der andauernden Corona-Pandemie zeitweise angespannt. Als Gründe für die Versorgungsengpässe sind u.a. die massiv gestiegene Nachfrage nach einzelnen Gütern, Grenzschliessungen, Exportbeschränkungen, mangelnde Diversifizierung der Lieferanten und fehlende Transportkapazitäten aufzuführen.

Der Ruf nach einer Rückverlagerung der Produktion lebenswichtiger Güter – insb. für Medikamente - in die Schweiz erscheint deshalb gerade in Krisenzeiten durchaus nachvollziehbar. Wäre eine solche aber auch sinnvoll?

Mit Blick auf die Medikamente gilt es festzuhalten, dass die Versorgung bei patentgeschützten Originalpräparaten - nicht nur in der Schweiz - aufgrund eines geeigneten Betriebskontinuitätsmanagements mit entsprechender Lagerhaltung zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden konnte. Desweitern darf nicht vergessen werden, dass einige Schweizer Pharmaunternehmen Medikamente dieser Art nach wie vor in der Schweiz produzieren und damit die inländische Versorgungslage stabilisieren. Hingegen findet die Produktion von Generika aus Prozess- und Kostenüberlegungen sowie verstärktem Druck auf die Gesundheitskosten zu einem erheblichen Teil im Ausland statt. Indien wie auch China haben sich aufgrund des hohen Bildungsniveaus in den letzten Jahren als Anbieter von solchen Wirkstoffen etabliert. Damit einhergehend wurden die Lieferketten länger, komplexer und störanfälliger. Werden nun wie während der Corona-Pandemie einzelne patentabgelaufene Wirkstoffe (bspw. Propofol oder Fentanyl) weltweit stark nachgefragt resp. knapp, erfolgt die Zuteilung auf die Nachfrager (d.h. die einzelnen Länder) auch unter Berücksichtigung geltender Preissysteme für Arzneimittel – hierzu stellt das relativ betrachtet höhere Schweizer Preisniveau einen Vorteil dar, auch wenn die Margen für die Generikahersteller hauchdünn ausfallen.

Sicherstellung der Versorgungssicherheit – bestehendes Konzept der Schweiz

Das Landesversorgungsgesetz (SR 531) regelt Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag (Art. 1). Der Bundesrat kann denn auch bestimmte lebenswichtige Güter der Vorratshaltung unterstellen (Art. 7, Ziff.1). Solche obligatorischen Pflichtlager bestehen nach aktuellem Stand für Lebens- und Futtermittel, Düngemittel, Arzneimittel (Antiinfektiva, Virostatika, Starke Analgetika und Opiate, Impfstoffe, Andere) sowie Treib- und Brennstoffe.

Darüber hinaus wurde im Bereich der Heilmittel der wirtschaftlichen Landesversorgung eine Meldestelle eingeführt, mit dem Ziel, Lieferunterbrüche bei Medikamenten rasch zu erfassen und Massnahmen zur Sicherung der Versorgung der Patienten zu ergreifen, wenn die Wirtschaft die Situation nicht mehr eigenständig bewältigen kann. Die von der Meldepflicht betroffenen Wirkstoffe und Arzneimittel sind in der entsprechenden Verordnung (SR 531.215.32) definiert.

Der Pandemieplan des BAG [1] empfiehlt, dass im Vorfeld einer sich abzeichnenden Pandemie durch das frühzeitige Anlegen von Mindestvorräten an Desinfektionsmitteln bei Herstellern und Lieferanten einem möglichen Engpass begegnet werden soll. Da Desinfektionsmittel eine sehr lange Haltbarkeit aufweisen, sind sie auch für eine individuelle Bevorratung im Rahmen der persönlichen Krisenvorsorge gut geeignet. Der Pandemieplan gibt ebenfalls Empfehlungen für die Lagerhaltung von Schutzmasken für die betroffenen Bereiche ab, i.e. für Spitäler, Alters- und Pflegeheime, sozio-medizinische Institute, Institutionen für Kinder, Ambulanten Bereich, Arztpraxen, Apotheken, Rettungsdienste, Spitex sowie die übrige Schweizer Bevölkerung.

Rückverlagerung der Produktion von Generika in die Schweiz stellt ein illusorisches Unterfangen dar

Zweifelsohne zeichnet sich die Schweiz als hoch spezialisierter Produktionsstandort für Chemie-, Pharma- und Life-Sciences-Produkte mit hoher Wertschöpfung aus und geniesst weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Dennoch stellt die Rückführung der Wirkstoffproduktion im Bereich der patentabgelaufenen und generischen Produkte,in die Schweiz aus rein ökonomischen Überlegungen ein illusorisches Unterfangen dar. In diesem Bereich kann aufgrund der laufenden Preissenkungen nur noch über grosse Volumen mit niedrigen Margen wirtschaftlich gearbeitet werden kann. Die Komplexität in der Herstellung eines Medikamentes und die Bedeutung der internationalen Arbeitsteilung verunmöglichen eine autarke Herstellung für den relativ kleinen Absatzmarkt Schweiz komplett. Hinzu kommt, dass bestehende Produktionskapazitäten bereits überwiegend ausgelastet sind und kaum Raum für die Erweiterung der Produkteportfolios bieten. Dementsprechend müsste im Rahmen einer Rückverlagerung in neue Produktionsanlagen investiert werden, was sich aufgrund der beschriebenen schwierigen ökonomischen Aussichten nicht rechtfertigen lässt. Selbst bei hoher Kosteneffizienz besteht gerade bei der Herstellung von Wirkstoffen für Generika und deren Endprodukte die enorme Herausforderung darin, aufgrund des hohen Produktionskostenniveaus in der Schweiz das aktuelle Preisniveau der auf dem Markt vorhandenen Produkte halten zu können.

Möglichkeiten zur Optimierung der Versorgungssicherheit aus der Sicht von scienceindustries

Eine verbesserte Sicherstellung der Versorgungssicherheit liegt auch im Interesse der scienceindustries, wobei wir die folgenden drei Massnahmen als umsetzbar erachten:

  1. Überprüfung der bestehenden Pflichtlager für kritische Wirkstoffe und Arzneimittel
  2. Absicherung der Lieferung durch Verträge auf Staatsebene
  3. Vertiefte Zusammenarbeit auf internationaler Ebene (Koordination von Produktionskapazitäten insbes. auf europäischer Ebene, Verbot von Exportbeschränkungen, usw.)

scienceindustries ist überzeugt, dass ihre Mitglieder ihre Strategie betreffend Lagerhaltung von kritischen Gütern überprüfen und wo nötig anpassen werden, um zukünftig noch besser gerüstet zu sein. Ungeachtet der während der Corona-Pandemie punktuell beobachteten Engpässe, erachtet es scienceindustries für die Stärkung der Sicherheit der Arzneimittelversorgung als enorm wichtig, dass sich die Schweiz auf internationaler Ebene für höchste Produktionsstandards, für Freihandel und gegen Exportrestriktionen einsetzt.


Positionspapier zum Download (PDF)


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