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«Absenkpfad Pflanzenschutzmittel» geht zu weit

Keine nachhaltige regionale Produktion ohne Innovationen

16.08.2021

Der klare Entscheid der Stimmberechtigten am 13. Juni 2021 gegen die beiden Agrar-Initiativen ist ein deutliches Votum für eine produktive Landwirtschaft und gegen Verbote. Es soll weiterhin die ganze Palette von Instrumenten zum Schutz der regionalen Produktion zur Verfügung stehen. Dazu gehören auch Pflanzenschutzmittel und damit zwingend verbunden Innovationen.

Nur eine produktive Landwirtschaft, die mit allen Ressourcen (Arbeit, Energie, Finanzen, Flächen und natürliche Ressourcen) sorgfältig umgeht, kann letztlich in allen drei Dimensionen - ökologisch, ökonomisch und sozial - nachhaltig sein. Volk und Stände hatten 2017 die Ergänzung von Art. 104 der Bundesverfassung, die eine ressourceneffiziente und auf den Markt ausgerichtete Lebensmittelproduktion vorschreibt, deutlich angenommen. Genauso unmissverständlich haben sie sich am 13. Juni 2021 bei hoher Stimmbeteiligung gegen Verbote und für eine produktive regionale Nahrungsmittelproduktion mit erschwinglichen Lebensmitteln ausgesprochen. Diese Entscheide müssen die Richtschnur für künftige Vorlagen zur Risikominimierung bei Pflanzenschutzmitteln sein.

Das Ziel einer Reduktion der Risiken von Pflanzenschutzmitteln wird von Bund, Landwirtschaft und Industrie geteilt. Und tatsächlich ist schon sehr viel geschehen. Die Industrie hat ihre Forschung und Innovation vorangetrieben und die Landwirtschaft ist daran, ihre professionelle Anwendung sicherzustellen. Und der Bund ist gefordert, einen Rahmen zu setzen, um Innovationen zu ermöglichen und nicht mit bürokratischen Prozessen die Rechtsunsicherheit zu erhöhen.

«Inoffizieller Gegenvorschlag» kommt Annahme der Initiativen gleich

Bundesrat und Parlament hatten die beiden extremen Agrar-Initiativen zu Recht ohne formellen Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Sie setzten auf den Aktionsplan des Bundesrates zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Der Aktionsplan sieht konkrete, standortgerechte Verbesserungsmassnahmen vor. In der Folge konzipierte der Ständerat die Pa. Iv. 19.475, um die Ziele des Aktionsplanes im Gesetz zu verankern. In der parlamentarischen Beratung wurde die Vorlage jedoch stark verändert. Das hat zu einem nicht erwünschten Ergebnis geführt: In der jetzigen Form schiesst der «inoffizielle Gegenvorschlag» weit über das ursprüngliche Ziel hinaus, dem Aktionsplan eine grössere Verbindlichkeit zu verleihen. Würde die Pa. Iv. in der vorliegenden Form umgesetzt, ist für viele der heute verfügbaren Pflanzenschutzmittel die Zulassungsfähigkeit in der Schweiz in Frage gestellt. Die Konsequenzen für die Landwirtschaft, den Ernährungssektor und die Konsumenten wären weitreichend. Innovationen würden verhindert, die regionale Produktion reduziert und die deutlich abgelehnten Volksinitiativen durch die Hintertür umgesetzt.

Agroscope belegt massive Produktionseinbrüche

Das verdeutlicht die anfangs August veröffentlichte Agroscope-Befragung[1]. Sie zeigt auf, welche enormen Schäden gewisse der vorgeschlagenen Massnahmen der Schweizer landwirtschaftlichen Produktion zugefügt würden. Besonders einschneidend ist beispielsweise die Förderung des Verzichts auf Pflanzenschutzmittel mit dem Instrument der Direktzahlungen. Die Agroscope-Studie belegt, dass ein Totalverzicht auf Pflanzenschutzmittel Ertragsverluste bis zu 47 Prozent verursachen würde. Ohne Insektizide und Fungizide müssten Mindererträge von bis zu 43 Prozent in Kauf genommen werden.

Eine Regulierungsfolgenabschätzung ist nötig

scienceindustries vermisst bei der Vorlage einen systematischen Ansatz. Die neu vorgeschlagenen Massnahmen müssen in einem gesunden Verhältnis zu den bereits umgesetzten betrachtet werden. Die Risiken einer drastischen Reduktion von Pflanzenschutzmitteln auf die Lebensmittelproduktion und deren Kosten sowie auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit sollten analysiert werden. Diese fehlende Evaluation bewirkt, dass neue Massnahmen vorgeschlagen werden, ohne die Wirkung der vorgehenden abzuwarten. Dabei zeigen erste Untersuchungen, dass die bereits eingeleiteten Massnahmen des Aktionsplans wirken. Die Risiken für unsere Gewässer werden reduziert und problematische Stoffe nehmen ab.

«Race to zero risk» ist nicht zielführend

Ziel soll sein, die Umweltbelastung, und nicht die für die Nahrungsmittelproduktion unverzichtbaren Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Ohne gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder valider Alternativen kann die Landwirtschaft nicht ressourceneffizient und nachhaltig produzieren. Die derzeitige Strategie, Landwirte mit finanziellen Anreizen zu weniger Produktivität zu bewegen, behindert das Ziel, eine steigende und mehrheitlich städtische Weltbevölkerung mit erschwinglicher, gesunder Nahrung zu versorgen und gleichzeitig Biodiversität und Klima zu schützen.

Innovation als Schlüssel für eine nachhaltige Versorgung mit regionalen Lebensmitteln

Als Vertreterin der forschenden Industrie plädiert scienceindustries für eine Schweizer Agrar- und Ernährungswirtschaft, die auf Innovation setzt. Wie die globale Landwirtschaft, steht auch die Schweizer Urproduktion vor zahlreichen Herausforderungen. Das zeigt nicht zuletzt der am 9. August 2021 veröffentlichte Bericht des Weltklimarates zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, braucht die Schweiz alle verfügbaren Innovationen entlang der ganzen Produktions- und Wertschöpfungskette sowie die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen. Forschungsfreiheit, effiziente und verlässliche Bewilligungsverfahren, Rechts- und Planungssicherheit spielen dabei eine zentrale Rolle. Genauso wie neue Geschäftsmodelle für Landwirte, die eine marktwirtschaftliche Abgeltung von Ökosystemleistungen und Klimaschutzmassnahmen ermöglichen. Einzig durch eine umfassende Auswahl an Werkzeugen – von modernen Züchtungsmethoden über hochspezifische synthetische Wirkstoffe bis hin zu innovativen Biologicals und Digitalisierung – können die Landwirte die bevorstehenden Herausforderungen bewältigen.

Reform des Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel ist dringlich

Damit Innovationen ihre positive Wirkung entfalten, müssen sie schnell den Weg zum Markt finden. Das Schweizer Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel bereitet den forschenden Agrarunternehmen grosse Sorgen. Es funktioniert schlicht nicht. Notwendig sind ein wissenschaftsbasierter Zulassungsprozess mit klaren Fristen und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Politik und Behörden haben es in der Hand, sich für wissenschaftsbasierte Entscheide und Prozesse zugunsten der Nachhaltigkeit einzusetzen.

Die ausführliche Stellungnahme von scienceindustries zum Verordnungspaket Parlamentarische Initiative 19.475 finden Sie unter: Services → Publikationen → Vernehmlassungsantworten → Verordnungspaket Pa.Iv. 19.475.

Weitere Auskünfte:

Marcel Sennhauser, Bereichsleiter Kommunikation & Public Affairs
marcel.sennhauser@scienceindustries.ch, T +41 44 368 17 44

Anna Bozzi, Leiterin Ernährung und Agrar
anna.bozzi@scienceindustries.ch, T +41 44 368 17 64

 

[1] Naturalertragseinbussen durch Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Ackerbau, Agroscope Science Nr. 125, Aug. 2021


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