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PFAS: Fragen und Antworten

Dossiers - Chemikalienregulierung / PFAS

PFAS: Fragen und Antworten

31.01.2025

PFAS sind chemische Verbindungen mit einzigartigen Eigenschaften, die in vielen Industrien essenziell sind – von der Medizintechnik über die Energiewirtschaft bis hin zur Elektronik. Gleichzeitig stehen einige dieser Stoffe aufgrund ihrer Persistenz und potenziellen Gesundheitsrisiken in der Kritik. Die Diskussion über ein generelles Verbot wird intensiv geführt, doch eine differenzierte Regulierung ist entscheidend, um Innovation und Nachhaltigkeit nicht auszubremsen.
 

1. Was sind PFAS und warum sind sie relevant?

PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind eine Gruppe von über 10'000 chemischen Verbindungen, die sich durch die starke Bindung zwischen Fluor und Kohlenstoff auszeichnen. Deswegen weisen sie eine extreme Beständigkeit gegenüber Hitze, Chemikalien und Wasser auf. Diese Eigenschaften machen sie für zahlreiche industrielle und alltägliche Anwendungen unverzichtbar – von der Medizintechnik über die Elektronik bis hin zur Luft- und Raumfahrt.
 

2. Warum wird ein Verbot diskutiert?

Bestimmte PFAS sind persistente, bioakkumulierbare und potenziell toxische Stoffe, die in der Umwelt lange bestehen bleiben können. Einige dieser Verbindungen, insbesondere solche mit einer bestimmten Molekülstruktur (6 bis 10 Kohlenstoffatome), stehen im Verdacht, gesundheitliche und ökologische Risiken zu verursachen. Andere PFAS hingegen gelten als sicher und haben keine bekannten negativen Auswirkungen.

Die wissenschaftliche Herausforderung besteht darin, gefährliche PFAS gezielt zu regulieren, ohne dabei essenzielle Anwendungen von sicheren PFAS zu gefährden.
 

3. Warum sind PFAS so weit verbreitet?

PFAS werden aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften in vielen Hochtechnologiebranchen verwendet. Sie sind hitzebeständig, wasser- und fettabweisend, chemisch stabil und extrem langlebig. Beispiele für wichtige Anwendungen:

  • Medizin: Verhindern Wechselwirkungen in Diagnostik-Tests, beschichten chirurgische Instrumente und ermöglichen biokompatible Implantate.
  • Energie & Elektronik: Schützen Hochspannungsanlagen, ermöglichen langlebige Halbleiterproduktion und sind essenziell für Batterietechnologien, Photovoltaikanlagen und Wasserturbinen.
  • Industrie & Maschinenbau: Sorgen für reibungslose Prozesse und reduzieren den Wartungsaufwand in sicherheitskritischen Systemen.
  • Produkte des täglichen Bedarfs: Für die Produktion von Kleidern, Küchengeräte oder Verpackungen. 
  • Bauwesen: Machen Gebäudehüllen dicht und ermöglichen den Wärmetransport in Wohn- und Arbeitsräume bei einem Grossteil der heute in Schweizer Wohnhäusern verbauten Wärmepumpen.
     

4. Bauen sich PFAS in der Umwelt ab?

PFAS werden oft als "forever chemicals" bezeichnet, da sie wasserlöslich sind und in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut werden. Dies kann langfristig zu einer Anreicherung in der Umwelt führen. Allerdings zeigen aktuelle Studien, dass nicht alle PFAS gleich persistent sind und einige im Körper oder in der Natur abgebaut oder ausgeschieden werden können. 

Noch dazu haben Untersuchungen von Behörden wie beispielsweise der amerikanischen Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) und des New York Department of Environmental Conservation gezeigt, dass PFAS-Chemikalien durch eine ordnungsgemässe Abfallentsorgung zerstört werden können. Eine differenzierte Betrachtung ist daher notwendig.
 

5. Gibt es Alternativen zu PFAS?

Industrie und Forschung suchen aktiv nach Ersatzstoffen. Doch bislang existieren für viele essenzielle Anwendungen keine gleichwertigen Alternativen. Die Entwicklung neuer Materialien ist kostspielig, zeitaufwendig und oft mit eigenen Herausforderungen verbunden. Daher sind realistische Übergangsfristen notwendig, um sicherzustellen, dass Innovation und Nachhaltigkeit nicht ausgebremst werden.
 

6. Wie werden PFAS reguliert?

Die Regulierung von PFAS erfordert eine präzise Definition sowie eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile.

Regulierung in der Schweiz

In der Schweiz wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse zu PFAS lanciert. Zwei davon, erachten wir als ausserordentlich wichtig und haben deren Annahme durch beide Kammern aktiv unterstützt. Es handelt sich dabei um die Motion Maret (22.3929) und das Postulat Moser (22.4585). Mit dem Postulat Moser beauftragte das Parlament den Bundesrat, die Grundlagen für eine risikobasierte Regulierung zu schaffen, die relevanten Verwendungen, möglichen Emissionswege und allfällige Alternativen zu PFAS zu identifizieren.Die Motion Maret beauftragt den Bundesrat, im Bereich Abfälle und Altlasten Grenzwerte festzulegen. Diese sollen einerseits gesellschaftlichen Gesundheitsbedürfnissen gerecht werden und andererseits die Umweltbedingungen und die Umsetzbarkeit berücksichtigen. Beide Instrumente sind komplex in der Aufgabenstellung und aufwendig in der Abarbeitung.

Regulierung in der EU 

Einige EU-Mitgliedstaaten, darunter Österreich, Dänemark und Belgien, machen bereits vor, wie ausgewogene und wissenschaftsbasierte PFAS-Regulierungen aussehen können – auch wenn nicht jede Massnahme direkt übertragbar ist.

  • In Österreich liegt der Schwerpunkt auf punktuellen Verboten von PFAS in Produkten mit potentiell hohem Umwelteintrag, wie etwa Outdoor-Bekleidung. Gleichzeitig werden strengere Grenzwerte für Trinkwasser diskutiert. Ein Ansatz, der jedoch stets die technischen und wirtschaftlichen Folgen abwägen muss, um den Nutzen nicht zu gefährden.
  • Dänemark setzt auf umfassende Studien, um die Verbreitungswege und Konzentrationen von PFAS besser zu verstehen. Diese systematische Datenerhebung bildet eine wertvolle Grundlage für gezielte Massnahmen. Auch für die Schweiz muss dies ein wichtiger Schritt sein.
  • In Belgien wird der Dialog grossgeschrieben. Behörden, Wissenschaft und Industrie arbeiten Hand in Hand, um die verschiedenen gesellschaftlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen und praktikable Lösungen zu entwickeln. Während der direkte Austausch hilfreich ist, bleibt es entscheidend, dass Lösungen auf Schweizer Bedürfnisse und Rahmenbedingungen angepasst werden.

Diese nationalen Strategien stehen im Einklang mit der folgenden Regulierung auf EU-Ebene: die EU-Kommission hat am 19. September 2024 beschlossen, eine Klasse von PFAS, die sogenannten Perfluorhexansäuren (PFHxS, englischPFHxA) einer Beschränkung unter dem Chemikalienrecht REACH zu unterstellen [1]. Dazu wird die Verwendung dieser einen Stoffklasse bei einer abschliessenden Liste von Produkteklassen [2] und einem sehr tiefen Grenzwert faktisch verboten. Dies erfolgt, nachdem die EU-Kommission bei diesen Anwendungen zu Schluss kommt, dass der gesellschaftliche Nutzen dieser Verwendungen die möglichen Gefahren nicht überwiegt. Diese Güterabwägung erachten wir als essenzielle Voraussetzung, bevor Einschränkungen und Verbote in Kraft gesetzt werden. 

Jedoch betrachtet die EU eine detaillierte Einzelfallprüfung aller PFAS-Verbindungen als zu aufwendig, weshalb sie ein generelles Verbot plant, um potenzielle Risiken zu minimieren.

Gesellschaft, Industrie, Wissenschaft und Behörden müssen Hand in Hand arbeiten, um praktikable und nachhaltige Lösungen zu finden. scienceindustries setzt sich für eine wissenschaftlich fundierte Regulierung ein, die gefährliche PFAS gezielt einschränkt, aber gleichzeitig sichere und unverzichtbare Anwendungen ermöglicht.
 

7. Welche Auswirkungen hätte ein generelles Verbot?

Ein pauschales Verbot würde bedeuten, dass viele technologische Fortschritte, die auf sicheren PFAS beruhen, in Frage gestellt werden. Dies könnte weitreichende Folgen haben:

  • Einschränkungen in der Medizintechnik, z. B. bei lebensrettenden Geräten oder Diagnosetests.
  • Produktionsverlagerung in Länder mit niedrigeren Umweltstandards, was eine höhere Umweltbelastung verursachen könnte.
  • Eingeschränkte Innovationsmöglichkeiten für klimafreundliche Technologien, z. B. in der Energiebranche.
  • Erhöhter Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen: Dank ihrer besonderen Eigenschaften tragen PFAS dazu bei, die Lebensdauer von Produkten für Endkonsumentinnen und -konsumenten zu verlängern.
     

8. Wie verbreitet sind PFAS in der Schweizer Umwelt?

Messungen zeigen, dass PFAS in der Umwelt nachgewiesen werden können – meist jedoch in geringen Konzentrationen. Die Hauptquellen sind nicht vollständig geklärt, weshalb ein gezieltes Monitoring notwendig ist.
 

9. Was tut die Industrie zur Reduktion von PFAS?

Unternehmen investieren in neue Technologien, um:

  • PFAS-Emissionen weiter zu minimieren.
  • Rückgewinnung und Recycling von PFAS-haltigen Produkten zu ermöglichen.
  • Alternative Materialien zu entwickeln, wo technisch und wirtschaftlich sinnvoll.
  • Säuberung kontaminierter Wasserkompartimente.

scienceindustries-Mitgliedsunternehmen sind überzeugt, mit Forschung und Innovation Teil der Lösung im Umgang mit PFAS zu sein. Durch eine verantwortungsvolle Produktion und Nutzung können sowohl Umwelt als auch die Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden, während gleichzeitig zentrale gesellschaftliche Ziele wie die Reduktion des CO₂-Ausstosses, eine erneuerbare Energieversorgung und die Schonung natürlicher Ressourcen durch langlebige Produkte bestmöglich unterstützt werden. Gleichzeitig trägt die kontinuierliche Forschung dazu bei, bestehende Altlasten zunehmend besser einzugrenzen und effektiv zu sanieren – ein weiterer Beitrag der Industrie zur nachhaltigen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.
 

10. Was ist bei der Festlegung von Grenzwerten wichtig?

Grenzwerte sollten:

  • Auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
  • Realistisch umsetzbar sein, um technologische Fortschritte nicht zu behindern.
  • Sicherstellen, dass nachhaltige Alternativen tatsächlich verfügbar sind.


Fazit: Nachhaltige Lösungen statt vorschneller Verbote

PFAS sind in vielen Bereichen unverzichtbar und leisten einen wesentlichen Beitrag zu Innovation, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Während einige PFAS streng reguliert oder ersetzt werden müssen, braucht es eine faktenbasierte, differenzierte Regulierung statt eines generellen Verbots.

Die Schweiz sollte eine kluge Balance finden zwischen Risikominimierung, technologischer Innovation und Umweltschutz, um langfristig tragfähige Lösungen zu entwickeln.


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