Publikationen - Point-Newsletter
Point «Aktuelle Biotechnologie» April 2025 (Nr. 274)
- Pflanzenzüchtung: Die Schweiz auf dem regulatorischen Holzweg?
- Mini-CRISPR-Werkzeug als Durchbruch in der Pflanzenzüchtung
- Federn statt Erdöl als Rohmaterial für Klebstoffe
- Epigenom-Editierung als neuer gentherapeutischer Ansatz
30.04.2025
Neue Pflanzenzüchtungsverfahren: Die Schweiz auf dem regulatorischen Holzweg?
Immer mehr Länder passen ihre Gesetze an den wissenschaftlichen Fortschritt an, um die Chancen neuer Pflanzenzüchtungsverfahren wie der Genschere CRISPR/Cas9 nutzen zu können. Dabei gilt fast immer: Pflanzen, die auch in der Natur oder durch klassische Züchtung entstehen könnten, gelten als gleichwertig mit herkömmlichen Sorten und sollten daher vergleichbaren Bestimmungen unterliegen. Auch die EU folgt diesem Grundsatz, die Detailabstimmungen zu einer innovationsfreundlichen Regulierung in der EU laufen.
In der Schweiz hatte der Bundesrat ebenfalls mit Hinweis auf Innovation und Nachhaltigkeit der Landwirtschaft ein risikobasiertes Zulassungsverfahren für Pflanzen aus neuen Züchtungsverfahren angekündigt, das sich grundsätzlich an dem Ansatz der EU orientieren sollte. Am 2. April 2025 legte er den Entwurf für ein «Züchtungstechnologiengesetz» vor. Dieses nimmt Pflanzen aus neuen Züchtungsverfahren aus dem Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes aus, diese würden damit auch nicht mehr dem Gentechnik-Moratorium unterliegen. Zugleich fordert der Bundesrat jedoch ein sehr aufwändiges Zulassungsverfahren mit jahrelangen Sicherheitsprüfungen sowie restriktive Anbauvorschriften, wie zum Beispiel Sicherheitsabstände.
Sollte der Regulierungsvorschlag des Bundesrates so umgesetzt werden, hätte die Schweiz eine der weltweit restriktivsten Regulierungen für Pflanzen aus neuen Züchtungsverfahren und würde bei deren Regulierung zu einem globalen Schlusslicht. Unter diesen Umständen wären Züchtung und Anbau in der Schweiz zwar theoretisch möglich, in der Praxis aufgrund des enormen Aufwands aber kaum zu erwarten. Damit wären die Chancen der neuen Züchtungsverfahren sowohl für die innovative Pflanzenzüchtung als auch für die nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz auf viele Jahre blockiert. Bis zum 9. Juli 2025 können interessierte Kreise in der Vernehmlassung Stellung nehmen und Korrekturen anregen. 2026 soll die Vorlage dann im Schweizer Parlament beraten werden. (mehr…)
Genomeditierung: Mini-CRISPR-Werkzeug als Durchbruch in der Pflanzenzüchtung
Neue Werkzeuge zur gezielten Veränderung des Erbguts, wie die Genschere CRISPR/Cas9, haben die Pflanzenzüchtung deutlich beschleunigt und vereinfacht. Ein Team von US-Forschenden unter Mitwirkung von Nobelpreisträgerin Jennifer Doudna beschreibt jetzt einen innovativen Ansatz, der einen weiteren Technologieschub auslösen könnte.
Eine Herausforderung bei der Genomeditierung ist, die dazu erforderliche Maschinerie mit ihren Komponenten möglichst effizient in Pflanzenzellen einzuschleusen und dann aus diesen Zellen Pflanzen heranzuziehen, welche die gewünschten genetischen Veränderungen stabil an ihre Nachkommen weitergeben. Dem Forschungsteam gelang es, mit ISYmu1 ein besonders kleines erbgutschneidendes Eiweiss zu identifizieren. Das Gen dafür kann mit den für die Programmierung der Schnittstelle erforderlichen Zutaten in ein Pflanzenvirus eingebaut werden, das dann als Genfähre dient und die Komponenten in die Pflanzenzellen einschleust.
Wenn Arabidopsis-Modellpflanzen mit dem modifizierten Virus infiziert wurden, erzeugte er in zahlreichen Pflanzenzellen die programmierten Erbgutschnitte. Die gewünschten genetischen Veränderungen fanden sich auch in den Samen und Nachkommen der behandelten Pflanzen wieder – ohne Spuren des Virus oder artfremden Erbmaterials. So können innerhalb kurzer Zeit mit wenig Aufwand genomeditierte Pflanzen erzeugt werden – das Verfahren sollte auch bei zahlreichen Nutzpflanzenarten funktionieren. (mehr…)
Bioökonomie: Federn als Rohmaterial für Klebstoffe
Jedes Jahr fallen in der europäischen Geflügelindustrie etwa 3.6 Millionen Tonnen Federn als Nebenprodukt an. Trotz ihrer hervorragenden Eigenschaften wird ein Grossteil davon auf Deponien entsorgt oder verbrannt, nur etwa ein Viertel wird zu Dünger oder Tierfutter verarbeitet. Verschiedene Forschungsprojekte streben an, Federn als Rohstoff für die Bioökonomie einzusetzen und damit fossile Rohstoffe zu ersetzen.
Federn bestehen zu etwa 90 Prozent aus dem Eiweiss Keratin, einem mechanisch sehr stabilen, aber biologisch abbaubaren Biopolymer, das auch Hauptbestandteil von Hufen und Hörnern ist. In Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, das Weltmarktführer im Bereich Klebstoffe ist, haben Forschende des deutschen Fraunhofer-Zentrums ein Verfahren entwickelt, um Federn schonend aufzuschliessen und in funktionelle kurzkettige Polymere zu zerlegen. Sie verwendeten dazu milde chemische Prozesse zusammen mit einer Protease, einem Enzym, dass Eiweissketten spalten kann.
Dabei entstanden polythiolhaltige Peptidfragmente, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften als Baustein für Plattform-Chemikalien, Peptidfilme oder Klebstoffe dienen können und damit klassische Anwendungen von Erdöl ersetzen können. So können gleichzeitig der Verbrauch fossiler Rohstoffe und damit eine zusätzliche Klimabelastung reduziert als auch ein bisheriger Abfallstoff zu einem wertvollen Rohstoff aufgewertet werden. (mehr…)
Medizin: Epigenom-Editierung als neuer Gentherapie-Ansatz
Ein aussichtsreicher, innovativer Ansatz der Genom-Editierung kommt ohne Schnitte in das Erbgut und ohne bleibende Veränderung der Gensequenz aus. Durch die Epigenom-Editierung wird das Erbmaterial gezielt chemisch modifiziert, und so seine Ablesbarkeit gefördert oder gehemmt. Dadurch werden natürliche Prozesse nachgeahmt, die bei der Regulierung der Genaktivität eine wichtige Rolle spielen. Erste klinische Versuche dazu laufen jetzt an.
Ein Ziel ist die Behandlung der chronischen Hepatitis B. Bei der Krankheit verbleiben aktive Kopien des Virus-Erbguts über einen langen Zeitraum in den Leberzellen. Durch Modifikation des Epigenoms ist es möglich, die Ablesung der Viruskopien zu blockieren. Dafür können inaktive Varianten des Cas9-Proteins an Effektordomänen gekoppelt werden, zum Beispiel Methyltransferase. Das Cas9-Protein ermöglicht es dem Komplex, an vorprogrammierte Positionen – in diesem Fall an das Hepatitisvirus-Erbgut – zu binden, dieses chemisch durch Anhängen von Methylgruppen zu modifizieren und dadurch stillzulegen.
Erste klinische Versuche mit diesem Ansatz wurden jetzt in Neuseeland und Hongkong bewilligt. Auch eine bestimmte Form von Muskelschwund und Nervenleiden sind mögliche Einsatzgebiete der Epigenom-Editierung, an denen gearbeitet wird. (mehr…)
Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)

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