Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

Dossiers - Beziehungen zur EU

Wie weiter nach den gescheiterten Verhandlungen über das InstA?

13.06.2022

scienceindustries ist erfreut, dass das Parlament in der Herbstsession die überfällige Kohäsionsmilliarde nun freigegeben hat. Dies ist insbesondere im Interesse des Forschungs- und Innovationsstandortes Schweiz und ein erster Schritt in Richtung volle Assoziierung zu Horizon Europe. Im Nachgang zum Verhandlungsabbruch der Schweiz mit der EU zum institutionellen Rahmenabkommen stellt dies ein wichtiges Signal von Seiten der Schweiz dar, um den bilateralen Weg mit der EU erhalten. Der Bundesrat muss nun eine kohärente Strategie für den Ausbau der bilateralen Beziehungen und des Marktzugangs entwickeln und auch binnenwirtschaftliche Reformen vorantreiben.

Die bilateralen Abkommen sind für den EU-Marktzugang unerlässlich

Die chemisch-pharmazeutischen Unternehmen sind mit einem Exportanteil von rund 50% die grössten Exportindustrien der Schweiz und damit ein wesentlicher Eckpfeiler unserer Volkswirtschaft und unseres Wohlstandes. Mit einem Anteil von rund 50% an den Gesamtausfuhren und rund 70% an den Importen ist die EU mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Industrien Chemie Pharma Life Sciences (2021). Die Bilateralen Abkommen sind eine Voraussetzung für den geregelten Zugang zum EU-Binnenmarkt und damit ein wichtiger Standortfaktor für internationale Unternehmen in der Schweiz. Fälschlicherweise wird oft behauptet, dass die Schweiz sich mit dem bestehenden EU-Freihandelsabkommen begnügen könne und demzufolge auch kein institutionelles Abkommen (InstA) benötigt werde. Dem ist aber nicht so. Freihandelsabkommen sorgen zwar dafür, dass direkte Handelshemmnisse – wie etwa Zölle – wegfallen. Allerdings sorgt ein solches Abkommen noch nicht dafür, dass Produkte, Dienstleistungen oder auch Personen ohne weiteren Aufwand Zugang zum jeweils anderen Markt haben. Dazu braucht es eine Vereinheitlichung von Regulierungen, was über ein Binnenmarktabkommen wie das InstA möglich ist.

Aus Sicht von scienceindustries hätte das ausgehandelte Institutionelle Abkommen den Zugang zum EU-Binnenmarkt und damit die Attraktivität der Schweiz als Wirtschaftsstandort sichern können. Mit dem Abbruch der Verhandlungen wird der praktisch diskriminierungsfreie Zugang zum europäischen Binnenmarkt allerdings in Frage gestellt. Dies kann mittelfristig insbesondere für KMUs ohne Niederlassungen in der EU zur Herausforderung werden. Gleichzeitig gilt es darauf hinzuweisen, dass auch weitere Standortvorteile der Schweiz vom Abbau bedroht sind, beispielsweise im Bereich der Unternehmenssteuern. Sollte die OECD tatsächlich eine Mindestbesteuerung einführen und hätte die Schweiz diese vollumfänglich mitzutragen, ginge nebst dem Verlust des privilegierten EU-Marktzugangs ein weiterer Vorteil verloren.

Um den für die Industrie wichtigen bilateralen Weg zu erhalten, den Ausbau des Marktzugangs weiter voranzutreiben und die Erosion der existierenden Marktzugangsabkommen wie auch weiterer Standortvorteile zu verhindern, erachtet scienceindustries umgehende Massnahmen seitens des Bundesrates als dringend notwendig. Nebst aussenwirtschaftlichen Massnahmen zur Abfederung des erschwerten Marktzugangs zur EU sind insbesondere binnenwirtschaftliche Reformen von Nöten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der Rückgang an Wettbewerbsfähigkeit innenpolitisch aufgefangen werden kann.

Aussenwirtschaft: Fortführung der Beziehungen mit der EU und weitere Massnahmen

Die guten Beziehungen mit der EU sind fortzuführen und es ist zu versuchen, in einzelnen Bereichen Verhandlungen aufzunehmen resp. fortzusetzen. Nebst dem Freihandelsabkommen von 1972 kommt insbesondere den Verträgen über die technischen Handelshemmnisse, die Personenfreizügigkeit und die Forschung im Tagesgeschäft eine zentrale Bedeutung zu.

Durch die Konformitätsanerkennung für Pharmaprodukte allein können die Unternehmen Mehrkosten von jährlich 150 bis 300 Millionen Franken vermeiden. In der Corona-Pandemie sorgt diese gegenseitige Anerkennung von Normen beispielsweise dafür, dass die Firma Lonza ihre in der Schweiz produzierten Impfdosen schnell und ohne weitere Prüfungen in die EU exportieren kann. Die Personenfreizügigkeit wiederum ermöglicht eine unbürokratische und rasche Rekrutierung von Fachkräften aus der EU. Eine wissensintensive Industrie ist darauf angewiesen, auch in Zukunft hochqualifizierte Fachleute aus dem Ausland anwerben zu können. Neben der Erosion der bestehenden Marktzugangsabkommen riskiert die Schweiz ohne InstA zudem die Nichterneuerung weiterer Abkommen, wie sich dies bereits am für den Forschungsstandort wichtigen Forschungsabkommen «Horizon Europe» zeigt. Für verschiedene Mitgliedsunternehmen von scienceindustries sind die Programmpunkte von «Horizon Europe» eine sehr relevante Quelle bei der Erarbeitung neuer Technologien, bei der Entwicklung von innovativen Produkten und neuen Anwendungen für bestehende Erzeugnisse. Darüber hinaus sind sie wichtig für den Zugang zu den wissenschaftlichen Netzwerken. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Wissenschaft werden bedeutende Entwicklungen und Innovationen fast immer in Zusammenarbeit von internationalen Netzwerken führender Forschungsinstitute und Unternehmen erarbeitet. Aufgrund des Verhandlungsabbruchs zum Institutionellen Rahmenabkommen wird die Schweiz von der EU bei Horizon Europe bis auf weiteres nur als Drittstaat behandelt. Mit der Freigabe der Kohäsionsmilliarde hat das Parlament in der Herbstsession ein wichtiges Signal gesetzt, um Forschenden möglichst bald den vollständigen Zugang zu den wichtigen EU-Programmen wieder vollständig zu ermöglichen. Zudem wäre die Schweiz ohne geregelte Beziehungen zur EU vom Abschluss neuer volkswirtschaftlich bedeutender Abkommen ausgeklammert, wie z.B. beim Stromabkommen.

Der Ausbau eines qualitativ hochstehenden Freihandelsnetzes mit wichtigen Handelspartnern bleibt nach wie vor prioritär; im Vordergrund stehen dabei die rasche Umsetzung der Freihandelsabkommen EFTA-Mercosur und EFTA-Indonesien sowie die Aufnahme von Verhandlungen mit Thailand. Begonnene Verhandlungen über neue und die Modernisierung bestehender Abkommen sollen zügig und nach den hohen internationalen Standards– insb. im Bereich des geistigen Eigentums (TRIPS, UPOV91) – abgeschlossen werden. Desweitern sollten die exploratorischen Gespräche zwischen der Schweiz und den USA über ein Freihandelsabkommen zum Abschluss gebracht werden. Ohne den Austritt der USA zu riskieren, gilt es beim WTO-Pharmaabkommen die vereinbarten regelmässigen Erneuerungen einzuhalten und das vereinfachte Einreichungsverfahren umzusetzen. Die Verhandlungen über Industriegüter sollen fortgesetzt und abgeschlossen werden, mindestens ist ein multilaterales Abkommen für systemrelevante Produkte, d.h. Chemikalien, Pharmazeutika, Medizinalgüter sowie Schutzmaterial (Health Care Products Initiative) anzustreben. Die längst fällige Modernisierung der WTO soll in Angriff genommen werden. Aufgrund der Importabhängigkeit der Schweizer Wirtschaft ist zudem der Zollabbau auf Industriegüter umzusetzen.

Binnenwirtschaftliche Massnahmen: Festlegung einer wirtschaftspolitischen Agenda 2025

Mit Blick auf die Optimierung der inländischen Rahmenbedingungen ist eine wirtschaftspolitische Agenda 2025 zwecks notwendiger Liberalisierungsschritte (Reformprogramm) zu verabschieden und innerstaatlich umzusetzen. Die staatliche Wirtschaftspolitik soll sich auf mittel- bis langfristig wirkende Massnahmen fokussieren, und zwar insbesondere auf Massnahmen, die zu generellen Verbesserungen der unternehmerischen Rahmenbedingungen oder einer kostenseitigen Entlastung der gesamten Wirtschaft beitragen.

scienceindustries schlägt im Folgenden ein dreiteiliges Paket zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur kostenseitigen Entlastung der Exportindustrie vor:

  1. Wiederherstellen der Planungssicherheit in strategischen Bereichen. Durch das Vorziehen strategisch wichtiger Reformen sollen die Unternehmen eine höhere Planungssicherheit erhalten.
     
  2.  Regulierungsmoratorium. Auf anstehende kostenträchtige Regulierungsvorhaben soll entweder ganz verzichtet werden oder deren Umsetzung soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Bevorstehende Erhöhungen der Regulationskosten sollen damit vermieden werden.
     
  3. Smart Regulation. Bestehende, ineffiziente und kostenintensive Regulierungen sollen vereinfacht oder abgeschafft werden. Die Effizienz des Staates soll damit erhöht und die von den Unternehmen zu tragenden Regulationskosten verringert werden.

 1. Wiederherstellen der Planungssicherheit in strategischen Bereichen

Folgende strategische Projekte sollen die langfristige Planungssicherheit für die Unternehmen wiederherstellen:

Stärkung der geistigen Eigentumsrechte. Der Schutz des geistigen Eigentums ist für eine so wissensbasierte und innovationsfreudige Branche wie die Schweizer Chemie-, Pharma- und Life-Sciences-Industrie essenziell. Ein starker und ausgewogener Rahmen für geistiges Eigentum sorgt dafür, dass nachhaltige und wiederkehrende Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in der Schweiz erfolgen und dadurch Innovationen gefördert werden. Eine Schwächung dieses Rechtsrahmens, um vermeintlich den Zugang zu Arzneimitteln oder Züchtungsmaterial zu verbessern, hat indes gegenteiliges zur Folge – weniger private Investitionen und folglich weniger innovative Produkte.

Revision des Datenschutzgesetzes. Nach Abschluss der Revision des Datenschutzgesetzes sind die notwendigen Verordnungsanpassungen rasch an die Hand zu nehmen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Schweiz Teil des Europäischen Datenraumes bleibt. Leider wurde in der Revision nun doch ein Profiling mit hohem Risiko und damit u.E. ein unnötiger Swiss Finish im Gesetz eingeführt. Es gilt dereinst in der Umsetzung dieser Bestimmung Mass zu halten, um den administrativen Aufwand in den Unternehmen nicht unnötig in die Höhe zu treiben.

Beschleunigung der Digitalisierung. Die Pandemie hat gezeigt, dass insb. im Schweizer Gesundheitswesen Nachholbedarf hinsichtlich der Digitalisierung und im Umgang mit Gesundheitsdaten besteht. Die Schweiz muss in dieser Hinsicht international aufholen und verfügbare Gesundheitsdaten generell nutzbarer machen. Immerhin wurde das Bewusstsein für die Notwendigkeit von mehr Digitalisierung gestärkt und ist auch einer der Schwerpunkte der vom Parlament im Dezember 2020 bewilligten BFI-Botschaft 2021-24. Diese Chance gilt es zu nutzen, sowohl in den Unternehmen als auch in der öffentlichen Verwaltung. Dazu braucht es rasch die nötigen Anpassungen bei der digitalen Infrastruktur. Das elektronische Patientendossier (EPD) bspw. muss schneller und vor allem koordiniert eingeführt werden. Es ist begrüssenswert, dass für die Zulassung von Leistungserbringern zukünftig das Mitwirken am EPD vorausgesetzt wird. Weitere Schritte müssen jedoch folgen, insb. auch um die Akzeptanz des EPD - und der Digitalisierung im Gesundheitswesen insgesamt - in der Bevölkerung zu fördern und zu verankern. So zeigt auch die Anwendung der COVID-19 Tracing App die Relevanz von verfügbaren Daten für das Gesundheitssystem deutlich auf.

Revision Zivilprozessordnung (ZPO). Die Revision soll das Unternehmensjuristenprivileg endlich im Gesetz verankern. So geniessen Schweizer Unternehmen wenigstens im Zivilverfahren im internationalen Kontext einen besseren Rechtsschutz, der überfällig ist. Die Schweiz hinkt hier anderen Jurisdiktionen seit langem hinterher, was ein Standortnachteil ist. Zudem ist die Diskussion um kollektive Rechtsbehelfe (Sammelklagen, Gruppenvergleiche oder dergl.) nicht fortzuführen und die entsprechenden Vorstösse abzuschreiben. Unser Rechtssystem ist nicht auf solche Instrumente ausgelegt. Diese bergen erhebliches Gefährdungspotential mit entsprechend nicht zu unterschätzend starker lähmender Wirkung auf Wirtschaftsaktivitäten.

Förderung von Naturwissenschaft und Technik bei Kindern und Jugendlichen. Der Fachkräftemangel im mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Bereich ist in der Schweiz sehr ausgeprägt. In zahlreichen Kantonen wie u.a. Bern und Zürich kann der wachsende Fachkräftebedarf nicht mehr gedeckt werden. Da diese Entwicklung unseren Wohlstand gefährdet besteht Handlungsbedarf. Deshalb ist bei der Verständnisförderung von Kindern und Jugendlichen anzusetzen, um mittelfristig gemeinsam mit der Wirtschaft (z.B. mit der Stiftung SimplyScience von scienceindustries) einen Beitrag zur Entschärfung der Problematik zu leisten.

Altersvorsorge. Aufgrund des demographischen Wandels und der nun zusätzlich erschwerten Finanzierung muss die Altersvorsorge umso rascher reformiert werden. Die Sanierung darf nicht einseitig zu Lasten der Unternehmen erfolgen. Insbes. die Vorschläge zur Reform der beruflichen Vorsorge BVG sind in wesentlichen Teilen zu überarbeiten. Der Umwandlungssatz gilt es auf 6% zu senken und die Altersgutschriftensätze müssen angepasst werden. Auf den ungerechten, die ohnehin schon schwer getroffene junge Generation benachteiligenden Rentenzuschlag muss unbedingt ersatzlos verzichtet werden.

Steuerpolitik. Die Schweiz ist ein steuerlich attraktives Land, weil der Wettbewerb auf Stufe von Kantonen und Gemeinden funktioniert. Davon profitieren Unternehmen wie Privatpersonen. Die Vorzüge des Steuerwettbewerbs sind jedoch nicht in Stein gemeisselt. Der internationale Druck auf das Schweizer Steuersystem hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Schweiz kann sich nicht auf Ihrem Erfolg ausruhen. Es sind deshalb Verbesserungen für den gesamten Wirtschaftsstandort anzustreben. Dazu zählt eine Reform der Verrechnungssteuer, die Vereinfachung der Mehrwertsteuer sowie administrative Entlastungen der Unternehmen.

Klimapolitik. Bei den Verminderungsverpflichtungen (Zielvereinbarungen), welche als Gegenleistungen für die Befreiung der CO2-Abgabe abgeschlossen werden, fordern wir, dass die Dienstleistungen der Vollzugsorganisationen der Wirtschaft für die Umsetzung von Zielvereinbarungssystemen mit der gleichen Qualität weitergeführt werden sollen, damit die Transferkosten der Dienstleistungen tief gehalten werden. Das Subsidiaritätsprinzip soll bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben weiterhin beachtet werden, damit unsere Unternehmen weiterhin motiviert und eigenverantwortlich bleiben, mit Investitionen in ihre Infrastrukturen Emissionen zu reduzieren.

Innovationsfreundlicher Rechtsrahmen für die Biotechnologie. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren rapide Fortschritte gemacht und ganz neue Möglichkeiten zur gezielten Veränderung des Erbguts durch die Genomeditierung entwickelt. Die Verfahren finden breite Anwendung in der Grundlagenforschung und für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, von der Pflanzenzüchtung über die industrielle Biotechnologie bis hin zum Gesundheitswesen. Allerdings wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz trotz Ankündigung durch den Bundesrat 2018 bisher nicht dem wissenschaftlichen Fortschritt angepasst, was zu Rechtsunsicherheit führt. Um Innovationen in der Schweiz nicht zu blockieren, müssen die bestehenden Unschärfen im Gentechnik-Recht möglichst rasch zielführend geklärt werden.

Stabile Rahmenbedingungen für patentabgelaufene Arzneimittel. Eine staatlich angeordnete Erweiterung von Produktionskapazitäten oder eine Verlagerung der Produktion von Arzneimitteln in die Schweiz ist aus wirtschaftlichen Gründen unpraktikabel. Zu prüfen wäre vielmehr ein koordinativer Ansatz auf europäischer Stufe. Die Versorgung mit patentabgelaufenen Arzneimitteln lässt sich primär über einen fairen und stabilen Preisrahmen sowie einfache und schnelle Zulassungsprozesse verbessern. Nur schon deshalb ist u.a. das seit langem diskutierte Referenzpreissystem endgültig zu verwerfen.

Versorgungssicherheit für Patienten. Um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, sind einerseits offene Grenzen und die Sicherstellung von optimalen Warenflüssen (bspw. auch durch den Abschluss von Staatsverträgen) zentral. Daneben sind aber auch eine Überprüfung der Pflichtlager (inkl. einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem BLW) und ggf. eine Überprüfung der gängigen Praxis der schlanken Lagerhaltung bei abgebenden Stellen denkbar, wobei dann auch die Finanzierungsfrage gestellt werden muss. Eine Koordination von gegebenen Produktionskapazitäten in Europa ist zu begrüssen, um unrealistischen nationalen Alleingängen vorzubeugen.

Schnellerer Zugang zu innovativen Therapien. Der Zugang für Schweizer Patienten zu innovativen Therapien ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern mitunter (Bespiel Krebstherapien) deutlich verzögert, denn der Aufnahmeprozess hinkt dem medizinischen Fortschritt hinterher. Die Industrie hat Lösungsansätze skizziert, bietet Hand für eine rasche Umsetzung und ruft die Behörden auf, entsprechende Schritte zügig einzuleiten. Mit Bezug auf heute vergütete Therapien steht die Pharmaindustrie zur dreijährlichen Preisüberprüfung. Sie fordert aber mehr Augenmass beim Nutzen-Kostenvergleich im Überprüfungsprozess (insbes. beim Therapeutischen Quervergleich) und bessere Berechenbar- sowie Planbarkeit.

Progressive Zulassung von Arzneimitteln. Die Pharmaindustrie ist seit einiger Zeit in einem konstruktiven Austausch mit der Zulassungsbehörde Swissmedic. So konnte mit ihr ein nützliches Benchmarking aufgebaut werden, das einen Vergleich der Zulassungszeiten zur US-FDA und der europäischen Behörde (EMA) ermöglicht. Das Ziel von Swissmedic, eine global führende Zulassungsbehörde als "First Wave Agency" zu werden, unterstützt die Industrie und anerkennt entsprechende Anstrengungen. Der Weg dorthin ist aber noch zu gehen. Angesichts des raschen technologischen Fortschrittes sollte bei Swissmedic eine weitere Öffnung gegenüber progressiveren Ansätzen - wie beispielsweise der tumor-agnostischen Zulassung und der Berücksichtigung von Real-World-Data in Zulassungsverfahren - stattfinden.

Funktionierendes Pflanzenschutzmittel-Zulassungsverfahren wiederherstellen: In den letzten Jahren wurden die Anforderungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz einseitig verschärft. Seit über zwei Jahren wurden kaum mehr neue Produkte zugelassen, während zahlreiche ältere Produkte vom Markt verschwanden. Das heisst: Die Palette an Wirkstoffen ist gefährlich ausgedünnt. Das Resistenzrisiko steigt und der Anbau gesunder und erschwinglicher Nahrungsmittel in der Schweiz ist gefährdet. Mit der gezielten Überprüfung älterer Produkte stellt der Bund sicher, dass die eingeführten Pflanzenschutzmittel die aktuellen Anforderungen nach wie vor erfüllen. Gleichzeitig ist es aber enorm wichtig, dass neue Produkte zugelassen werden. Denn die Agrarunternehmen entwickeln ständig neue Pflanzenschutzmittel mit immer höherer Wirksamkeit und besserer Umweltverträglichkeit. Umso unbefriedigender ist, dass es bereits seit Jahren immer schwieriger wird, neue Produkte – darunter viele, die in unseren Nachbarländern bereits zugelassen sind – in der Schweiz zu registrieren und damit den Anwendern zur Verfügung zu stellen.

2. Regulierungs-Moratorium

Folgende Regulierungsvorhaben sollen erst zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgt oder ganz auf deren Umsetzung verzichtet werden, um zusätzliche Belastungen der Unternehmen zu vermeiden:

Revision des Energiegesetzes. Die aktuelle laufende Revision ist zurückzustellen. Die Förderbeiträge für erneuerbare Energien sollen wie geplant ab 2023 auslaufen. Die Gesetzesrevision sieht vor, diese Beiträge mindestens bis 2035, de facto aber wahrscheinlich bis 2050 zu verlängern. In der aktuellen Corona Krise sind Signale wichtig, um die Belastung der schweizerischen Wirtschaft zu reduzieren.

Regelung der Haftpflicht im Gütertransport auf der Schiene. Diese Thematik ist bereits auf internationaler Ebene abschliessend geregelt (AVV) und die Schweiz ist in dieses Regelwerk vollständig integriert. Ein weiterführender unilateraler Alleingang der Schweiz gemäss der Motion Borloz (20.3084) ist daher nicht erforderlich.

Meldepflicht für Biozidverwendungen. Unter dem irreführenden Titel "Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren" will die Pa.Iv. (19.475) auch alle Verwendungen von Bioziden einer Meldepflicht unterstellen. Dies bringt einen grossen administrativen Aufwand - nicht nur in der Landwirtschaft - mit sich. Biozide werden für die verschiedensten Zwecke zum Schutz von Gesundheit aber auch Haltbarkeit unterschiedlichster Güter eingesetzt, was letztlich zu nachhaltigerem Einsatz von Rohstoffen führt.

Chemikaliengesetzgebung. Keine wissenschaftlich unzureichend begründeten Reformen (z.B. Ver­schärfungen bezüglich Nano-Materialien und endokrine Stoffe). Keine unkritische Übernahme von EU-Verboten für Chemikalien der EU. Zu diesem Zweck unterstützen wir die Motion Schmid (19.3734) zur Beseitigung von Mängeln im Schweizer Chemikalienrecht und zur Stärkung des Werkplatzes Schweiz.

3. Smart Regulation

Die folgende Liste von Regulierungen, die vereinfacht oder abgeschafft werden sollen, ist keineswegs abschliessend, greift aber einige relevante Themen für unsere Mitglieder auf.

Flexibilisierung der Arbeitszeiterfassung. Die Thematik gilt es wieder aufzunehmen und eine für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber akzeptable Lösung auszuarbeiten. Die rigide gesetzliche Regelung entspricht für viele Mitarbeitende nicht mehr den modernen Arbeitsformen, was nun auch das vermehrte Home-Office zeigt. Es ist davon auszugehen, dass diese Arbeitsform auch über die Pandemie stetig zunehmen wird, dies nicht zuletzt im Interesse der Arbeitnehmenden. Entsprechend ist die Flexibilisierung der Arbeitszeiterfassung ein wichtiges Anliegen der Wirtschaft, das an Bedeutung nur zugenommen hat.

VOC-Verordnung. Aufhebung der VOC-Abgabe. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis fällt gemäss Eidgenössischer Finanzkontrolle (EFK) ungünstig aus. Das Parlament hat entsprechende Motionen abgelehnt, obwohl die Reduktionsziele erreicht sind. Wir unterstützen hingegen die geplanten Vereinfachungen zur Umsetzung der VOC-Verordnung durch die Betriebe.

Hausgemachte nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Ungerechtfertigte Vorschriften beim Warenimport sind zu beseitigen. Der Abbau bürokratischer Regeln und Abläufe an der Grenze ist voranzutreiben (Do­kumentationspflichten, Anmeldung usw.). Eine Aufweichung des Cassis-de-Dijon-Prinzips für Lebens­mittel ist nicht angezeigt. 

Verfahren für Zollerleichterung/-aussetzung. Genereller Verzicht auf den Nachweis der Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft.

Authorised Economic Operator (AEO)-Status. Vereinfachung des Verfahrens zur Erreichung des AEO-Status für ermächtigte Importeure/Exporteure.

Zollveranlagungsprozesse. Zeitnahe Umsetzung der IT-Projekte im Rahmen des Projektes „DaziT".

Helvetismen in der Tarifierung. Unnötige Abgrenzungen im Zolltarif in den Kap. 15, 19, 21 und 35. Eine Angleichung an internationale Regeln ist notwendig. Abgrenzungen bestehen vermutlich aufgrund von landwirtschaftlichen Schutzinteressen.

Verringerung der behördlichen Audits/Inspektionen. Durch den Abschluss von Mutual Recognition Agreements mit Handelspartnern (z.B. GMP) soll die Anzahl Inspektionen verringert werden. Das MRA im Bereich Biozidprodukte soll wiederbelebt werden.

 


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