
Dossiers - Reformen im Gesundheitswesen
Zweites Kostendämpfungspaket durch das Parlament verabschiedet
11.06.2025
Mit dem zweiten Kostendämpfungspaket, das in der Frühjahrsession 2025 vom Parlament verabschiedet wurde, stehen zentrale Änderungen im Gesundheitswesen an. Die verabschiedete Vorlage fällt aus Sicht der Industrie ernüchternd aus: Der Hauptanteil der Kostendämpfungsmassnahmen wird erneut von der Pharmaindustrie getragen. Die Schmerzgrenze ist nun definitiv erreicht. Um die Versorgungssicherheit mit innovativen und bewährten Medikamenten in der Schweiz zu wahren, dürfen keine weiteren Sparübungen zulasten der Pharmaindustrie beschlossen und muss der Patientenzugang verbessert werden.
Im August 2020 wurde die Vernehmlassung zu einem zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (KP 2) eröffnet. scienceindustries reichte am 19. November 2020 ihre Stellungnahme dazu ein. Am 7. September 2022 hat der Bundesrat die Botschaft zum KP 2 (22.062) dem Parlament vorgelegt. Inhalt der Vorlage waren u.a. Netzwerke zur Förderung der koordinierten Versorgung und Stärkung der Versorgungsqualität. Auch verfolgte der Bundesrat die Absicht, einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu innovativen Arzneimitteln sicherzustellen.
Angedacht ist zudem eine differenziertere Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) u.a. von Arzneimitteln sowie die Einführung von fairen Referenztarifen, um den Wettbewerb unter den Spitälern sicherzustellen.
Überprüfung der WZW-Kriterien
scienceindustries lehnt einen Vorrang der Kostengünstigkeit bei der heute im Arzneimittelbereich schon regelmässig durchgeführten Überprüfung der WZW-Kriterien entschieden ab. Der Bundesrat könnte damit ohne Einbezug des Parlaments sämtliche Regeln für die WZW-Überprüfung einseitig anpassen. Diese Änderungen würden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen willkürlich weiten Ermessensspielraum zusprechen, welcher faktisch zu einem Billigstprinzip bei allenfalls gar jährlichen WZW-Überprüfungen führen könnte. Die heute schon mangelnde Planbarkeit und Rechtssicherheit würde weiter untergraben, womit die Versorgungssituation mit Arzneimitteln weiter gefährdet wäre.
Preismodelle sinnvoll nutzen - ohne neue Hürden
Der Bundesrat will unter anderem einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu innovativen Arzneimitteln sicherstellen. Dazu soll die bereits bestehende Praxis von Vereinbarungen mit Pharmaunternehmen, sogenannte Preismodelle, auf Gesetzesstufe gefestigt werden. Pharmaunternehmen erstatten bei der Umsetzung von Preismodellen einen Teil des Preises oder der entstehenden Kosten an die Versicherer zurück. In bestimmten Fällen kann der rasche und möglichst kostengünstige Zugang zu überlebenswichtigen, hochpreisigen Arzneimitteln nur gewährleistet werden, wenn vertrauliche Preismodelle umgesetzt werden. Deshalb soll nun auch in der Schweiz die Umsetzung solcher Modelle ermöglicht werden.
Die Einführung vertraulicher Preismodelle wurde vom Parlament gutgeheissen. Künftig kann der Bundesrat vorsehen, dass Angaben zur Höhe, Berechnung oder Modalitäten von Rückerstattungen nicht veröffentlicht werden müssen – auch nicht im Rahmen des Öffentlichkeitsgesetzes (BGÖ) oder entsprechender kantonaler Regelungen. Diese Möglichkeit entspricht einem wichtigen Anliegen der Industrie.
Entscheidend wird nun die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung sein. Damit die angestrebte Beschleunigung des Patientenzugangs tatsächlich erreicht wird, braucht es klare Prozesse, effiziente Verhandlungen und eine verlässliche Handhabung durch die Behörden. Nur wenn Preismodelle nicht zu zusätzlicher Komplexität oder Verzögerung führen, können sie ihre Wirkung entfalten. scienceindustries erwartet vom Bundesrat und vom BAG, dass sie das Potenzial dieser Instrumente entschlossen nutzen, ohne neue bürokratische Hürden zu schaffen, und so zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgung mit innovativen Arzneimitteln beitragen.
Beschlossene Kostenfolgemodelle sind schmerzhaft
Neu wurde mit Art. 52e KVG eine gesetzliche Grundlage für Mengenrabatte bei Arzneimitteln mit grossem Marktvolumen geschaffen. Trotz Kritik aus der Industrie wurde diese Regelung verabschiedet. Immerhin konnten im parlamentarischen Prozess produktspezifische Faktoren wie die Zahl der Indikationen oder die Verfügbarkeit von Wirkstoffen berücksichtigt werden. Ob die Ausgestaltung der Verordnungen diesen differenzierten Ansatz tatsächlich umsetzt, bleibt abzuwarten.
Ein neuer Artikel im KVG ermöglicht unter bestimmten Bedingungen eine vorläufige Vergütung von Arzneimitteln ab dem Tag ihrer Swissmedic-Zulassung. Damit könnte der Zugang zu innovativen Medikamenten schneller erfolgen – vorausgesetzt, die anspruchsvollen Voraussetzungen sind in der Praxis umsetzbar.
Die Versorgungsrisiken bleiben bestehen
Mit dem zweiten Kostendämpfungspaket wurden nahezu sämtliche Einsparungen im Gesundheitswesen über Massnahmen im Bereich der Arzneimittel erzielt. Die Pharmaindustrie leistet damit erneut einen wesentlichen Beitrag zur Dämpfung der Gesundheitskosten – etwa über die Einführung von Kostenfolgemodellen, die grosse Einsparungen bringen sollen. Zugleich wurden viele ursprünglich vorgesehene Massnahmen, welche andere Bereich der Gesundheitsversorgung betroffen hätten, im parlamentarischen Prozess gestrichen oder abgeschwächt.
Aus Sicht der Industrie bleibt das Paket in der Gesamtwirkung unausgewogen: Während der Beitrag zur Kostensenkung klar zulasten der forschenden Unternehmen geht, sind die im Gesetz vorgesehenen Verbesserungen beim Patientenzugang zu innovativen Medikamenten bisher nicht ausreichend konkretisiert. Der Zugang zu innovativen Therapien verschlechtert sich gemäss Branchenbeobachtungen tendenziell weiter, was die Versorgungssicherheit unter Druck setzt.
Die Industrie fordert daher, dass die Umsetzung der Gesetzesänderungen auf Verordnungsstufe mit Augenmass erfolgt. Insbesondere die Anwendung der Kostenfolgemodelle soll differenziert und unter Berücksichtigung produktspezifischer Merkmale erfolgen. Weiter ist die angekündigte Modernisierung des Preisbildungssystems entscheidend, um einen raschen Zugang zu innovativen Therapien sicherzustellen und Standortattraktivität sowie Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten.

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