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Tierseuchen wirksam bekämpfen – Von der Reaktion zur Prävention

Dossiers - Reformen im Gesundheitswesen

Tierseuchen wirksam bekämpfen – Von der Reaktion zur Prävention

31.07.2025

Die jüngste Publikation von AnimalhealthEurope zur Bekämpfung grenzüberschreitender und neu auftretender Tierseuchen macht deutlich: Europa steht vor wachsenden Herausforderungen im Bereich Tiergesundheit. scienceindustries unterstützt den Appell der Branche, künftig stärker auf Prävention, statt auf Reaktion zu setzen, und begrüsst insbesondere die aktuelle Überarbeitung des Tierseuchengesetzes durch den Bundesrat.

Die Tiergesundheit in Europa steht unter Druck: Krankheiten wie zuletzt die Blauzungenkrankheit treten immer häufiger auch nördlich der Alpen auf. Als Reaktion auf aktuelle Ausbrüche – etwa mit dem Serotyp 3 des Blauzungenvirus (BTV-3) in der Schweiz – wird deutlich, dass der bisherige, rein reaktive Ansatz nicht genügt, um Tiere, Menschen und die Agrarwirtschaft nachhaltig zu schützen. scienceindustries unterstützt deshalb das von AnimalhealthEurope geforderte Umdenken hin zu einem systemischen und vorausschauenden Seuchenschutz.

Grenzüberschreitende Seuchenzüge nehmen zu

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich grenzüberschreitende Tierseuchen in Europa deutlich vervielfacht – sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer geographischen Ausbreitung. Seuchen wie die Blauzungenkrankheit (BTV-3), die Lumpy-Skin-Krankheit (LSD) oder die Afrikanische Schweinepest (ASP) treten heute in Regionen auf, die zuvor nicht betroffen waren, und verbreiten sich dort mit hoher Geschwindigkeit.

Diese Entwicklung stellt eine ernste Bedrohung für das Tierwohl dar: Infizierte Tiere leiden häufig unter erheblichen Schmerzen, Entzündungen, Fieber oder Hautveränderungen – teilweise mit tödlichem Verlauf. Gleichzeitig haben solche Seuchenzüge auch gravierende Auswirkungen auf andere Bereiche. Die Landwirtschaft sieht sich mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten durch Produktionsausfälle oder Tierverluste konfrontiert. Nicht zuletzt können gewisse Tierseuchen auch ein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen oder das Vertrauen der Bevölkerung in Lebensmittelsicherheit und Seuchenschutz erschüttern.

Umso dringlicher ist ein koordiniertes und rasches Handeln, das den Schutz der Tiere ins Zentrum stellt und gleichzeitig auch die wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Folgewirkungen berücksichtigt. Die zunehmende Dynamik grenzüberschreitender Tierseuchen erfordert eine vorausschauende Tiergesundheitspolitik, die auf Prävention, internationale Zusammenarbeit und die rasche Verfügbarkeit wirksamer Impfstoffe setzt.

Blauzungenkrankheit

Beim Ausbruch von BTV-3 in der Schweiz war zunächst kein zugelassener Impfstoff verfügbar – dies, obwohl entsprechende Impfstoffe in anderen europäischen Ländern bereits befristet genehmigt und verwendet wurden (Tierarzneimittelgesetz der EU (EU 2019/6, Art.110, Abs. 2)). Eine Impfung konnte erst nach Erteilung einer Sonderbewilligung gemäss Art. 9 des Tierseuchengesetzes (TSG) erfolgen. Der dadurch entstandene Zeitverlust hatte unmittelbare Konsequenzen für das Wohl zahlreicher Tiere. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der politische Druck erhöht: Infolge mehrerer parlamentarischen Vorstösse wurde Kritik an der schleppenden Verfügbarkeit von Impfstoffen laut, verbunden mit der Forderung, Zulassungsverfahren künftig zu beschleunigen und stärker auf grenzüberschreitende Erfahrungen und Evidenz abzustützen.

Bundesrat handelt – Revision des Tierseuchengesetz schafft Rechtsgrundlage

scienceindustries begrüsst, dass mit der laufenden Revision des TSG nun eine verlässliche rechtliche Grundlage für den raschen, aber kontrollierten Einsatz von nicht zugelassenen immunologischen Tierarzneimitteln geschaffen werden soll. Die vorgeschlagenen Änderungen ermöglichen es, wie bereits in der EU vorgesehen, solche Arzneimittel im Krisenfall zeitlich befristet in Verkehr zu bringen. Unsere veterinärpharmazeutischen Unternehmen haben sich im Rahmen des ordentlichen Vernehmlassungsverfahrens zur Gesetzesänderung aktiv eingebracht und den eingeschlagenen Weg ausdrücklich unterstützt (vgl. Stellungnahme von scienceindustries vom 30.07.2025).

Systematische Vorsorge statt Krisenbewältigung

Die Erfahrungen mit BTV-3 zeigen exemplarisch, dass ein rein reaktives Vorgehen – etwa über Sonderbewilligungen – nicht ausreicht. Für einen krisenfesten Seuchenschutz braucht es klare gesetzliche Grundlagen, eine enge Zusammenarbeit zwischen Behörden und Industrie sowie eine koordinierte europäische Impfstrategie. scienceindustries unterstützt daher im Grundsatz die von AnimalhealthEurope vorgeschlagenen vier Eckpunkte (siehe auch Positionspapier):

  • Pflege eines ständigen Dialogs zwischen Veterinärbehörden und Tiergesundheitsindustrie;
  • Aufbau eines Rapid-Response-Mechanismus zur schnellen Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen;
  • Ein auf zukünftige Herausforderungen ausgerichteter Rechtsrahmen, der frühzeitiges Handeln ermöglicht;
  • Europäische Koordination bei der Tierimpfung, um Doppelspurigkeiten und Versorgungsengpässe zu reduzieren.

One-Healt-Ansatz

Die Zunahme von Tierseuchen betrifft nicht nur die Nutztierhaltung, sondern hat auch Implikationen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. scienceindustries bekennt sich daher zum One-Health-Ansatz, der Tier-, Human- und Umweltgesundheit systemisch zusammenführt. Ein vorausschauender Seuchenschutz stärkt nicht nur die Resilienz des Agrarsektors, sondern ist auch zentral für die Sicherung der öffentlichen Gesundheit und für die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR).

Fazit

Die Revision des TSG und die strategischen Überlegungen von AnimalhealthEurope sollen ein Umdenken im Seuchenschutz einleiten. scienceindustries unterstützt diese Entwicklungen und appelliert an die politischen Entscheidungsträger, die Weichen für eine vorausschauende, wissenschaftsbasierte Tiergesundheitspolitik zu stellen. Nur mit einem verlässlichen Rechtsrahmen, innovativer Technologie und partnerschaftlicher Zusammenarbeit lässt sich der Übergang von der Krisenbewältigung zur Vorsorge erfolgreich gestalten.


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