Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences
Übersicht und Positionen zu ausgewählten Reformen im Gesundheitswesen

Dossiers - Reformen im Gesundheitswesen

Übersicht und Positionen zu ausgewählten Reformen im Gesundheitswesen

Die Industrien Chemie Pharma Life Sciences haben ein Interesse an einem soliden, stabilen und modernen Gesundheitssystem. Deshalb engagiert sich scienceindustries aktiv am gesundheitspolitischem Diskurs in der Schweiz. 

12.09.2025

Kostendämpfungspakete

Seit längerer Zeit führt das Parlament Beratungen zu diversen Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Diese Vorschläge basieren auf einem Bericht einer Expertengruppe zu Kostendämpfungsmassnahmen zur Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Ein erstes Kostendämpfungspaket wurde während der Beratung vom Parlament in zwei Teilpakete (KP 1a und 1b) unterteilt.

Die Beratung des Teilpakets 1a wurde in der Sommersession 2021 von den Räten abgeschlossen. Die Industrie nahm dabei zur Kenntnis, dass beide Räte im Rahmen des Experimentierartikels im Unterschied zum Bundesrat keine Zwangsverpflichtung vorgesehen haben.

Nach langen Beratungen haben die eidgenössischen Räte sodann in der Herbstsession 2022 das KP 1b verabschiedet. Dieses sieht ein Kostenmonitoring im Gesundheitswesen vor. Erfreulicherweise strichen die Räte das Referenzpreissystem für Generika, indes wurden Vereinfachungen bei der Zulassung parallelimportierter Medikamente beschlossen.

Im August 2020 wurde alsdann die Vernehmlassung zu einem zweiten Massnahmenpaket (KP 2) eröffnet und scienceindustries reichte dazu ihre Stellungnahme ein. Das KP 2 wurde in der Frühjahrsession 2025 vom Parlament beschlossen. Die verabschiedete Vorlage fällt aus Sicht der Industrie ernüchternd aus: Der Hauptanteil der Kostendämpfungsmassnahmen wird erneut von der Pharmaindustrie getragen. Die Schmerzgrenze ist nun definitiv erreicht. Um die Versorgungssicherheit mit innovativen und bewährten Medikamenten in der Schweiz zu wahren, dürfen keine weiteren Sparübungen zulasten der Pharmaindustrie beschlossen und muss der Patientenzugang verbessert werden.

Parallel zu all diesen Paketen musste die Schweizer Bevölkerung im vergangenen Jahr über die Initiative der Mitte "für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen" und die Prämien-Entlastungs-Initiative der Sozialdemokratischen Partei (SP) befinden. Beide Initiativen wurden vom Volk deutlich abgelehnt, worin sich scienceindustries auch in ihren Positionen gestärkt sieht. Dies verdeutlicht, dass die Bewältigung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen nicht durch starre Verfassungsaufträge, sondern durch differenzierte Reformen, welche Effizienz, Innovation und Eigenverantwortung in den Vordergrund stellen, zu erfolgen hat.

Versorgungssicherheit

Weltweit haben Medikamentenengpässe zugenommen, die Schweiz ist hier keine Ausnahme. Im 2024 gingen bei der Meldestelle Heilmittel beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) rund 250 Meldungen von Versorgungsstörungen ein: insgesamt waren ca. 1'000 Medikamente zeitweise nicht verfügbar. Die Gründe dafür sind vielfältig und scienceindustries hat sich zusammen mit anderen Pharmaverbände zur Problematik geäussert. Das verbandsübergreifende Positionspapier beleuchtet die Hintergründe der Problematik und zeigt Lösungsansätze auf.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat viele Preise in den letzten Jahren so stark gesenkt, dass die Tagesdosis einzelner Produkte auf Basis des Fabrikabgabepreises noch einige Rappen kostet und teilweise unter die Herstellkosten gefallen ist. Es lohnt sich deshalb vermehrt nicht mehr für unsere hiesige Industrie, gewisse Produkte im kostenintensiven Schweizer Markt zu belassen.

Sodann trägt die Pharmaindustrie die Kosten für die Pflichtlager vollumfänglich allein, ohne dass sie die Möglichkeit zu Preisanpassungen hat. Entweder beteiligt sich der Bund an den Kosten oder es wird ein Finanzierungsmechanismus geschaffen, wonach eine fixe, separat ausgewiesene Entschädigung in den Fabrikabgabepreis (FAP) eingerechnet wird, welcher bei Preisüberprüfungen jeweils beizubehalten ist. Wird eine solche Anpassung nicht vorgenommen, vergrössert sich das strukturelle Ungleichgewicht zwischen den tatsächlichen Kosten und den vergüteten Beträgen, was mittel- bis langfristig v.a. bei günstigeren Medikamenten eine Gefährdung der Versorgungskontinuität nach sich ziehen dürfte.

Des Weiteren verzögert sich der Zugang zu neuen Therapien immer mehr. Diese Entwicklung stellt eine zeitnahe Versorgung der Schweizer Patientinnen und Patienten mit Innovationen zusehend in Frage, was den allgemeinen Druck auf die Versorgung nicht lindert. Durch bessere Vergütungsregeln würde der frühe Zugang zu innovativen Arzneimitteln gefördert. Eine einseitige Preisfokussierung in der Gesundheitspolitik wird die Versorgung indes weiter verschlechtern. Eine Modernisierung des Preisbildungssystems im Sinne einer gleichberechtigten Anwendung von Auslandpreisvergleich (APV) und therapeutischem Quervergleich (TQV), einer transparenten und nachvollziehbaren Auswahl der Vergleichstherapien beim TQV, eines pragmatischen Ansatzes zur Bewertung des Produktnutzens sowie tragbaren Lösungen für Kombinationstherapien tut Not. Eine mögliche Lösung für einen schnelleren Zugang bietet sich zudem mit einem rückvergüteten Innovationszugang (RIZ). Zeiteinsparungen würden sodann parallele oder mindestens besser koordinierte Verfahren bei der Zulassung durch Swissmedic und dem BAG durch den "Early Access"-Prozess bringen.

Revision des Heilmittelgesetzes

Das Heilmittelgesetz (HMG) befindet sich in seiner dritten umfassenden Revision. scienceindustries reichte im März 2024 ihre Stellungnahme zu den Vorschlägen ein. Der wissenschaftliche Fortschritt in der Biomedizin hat in den vergangenen Jahren zur Entwicklung neuer Therapieformen geführt – den sogenannten Advanced Therapy Medicinal Products (ATMP). In der Schweiz gab es bislang keine einheitliche Rechtsgrundlage für die Zulassung von ATMP. Vielmehr hängt die regulatorische Handhabung eines in der Europäischen Union (EU) als ATMP bewerteten Präparates davon ab, wie es hierzulande qualifiziert wird. Die dabei angewandten uneinheitlichen Definitionen führen zu Interpretationsschwierigkeiten: So ist die Zulassung von ATMP für die Anwendung beim Menschen in der Schweiz mit entsprechender Rechtsunsicherheit behaftet und ATMP in der Veterinärmedizin können in Ermangelung von Rechtsgrundlagen im Unterschied zur EU gar nicht erst zugelassen werden. Entsprechend begrüsst scienceindustries, dass nun eine Rechtsgrundlage und damit eine Rechtssicherheit in diesem wichtigen Innovationsfeld geschaffen werden soll.

Eine erste Analyse der Botschaft hat indes auch gezeigt, dass an einer möglichen Ausweitung des Informationssystems Antibiotika in der Veterinärmedizin (IS ABV) auf weitere antimikrobielle Wirkstoffe und Antiparasitika festgehalten wird. scienceindustries und ihre Mitglieder unterstützen die Anstrengungen des Bundes gegen Resistenzen, unter anderem in der Mithilfe bei der Erarbeitung des One-Health-Aktionsplans 2024-27 der Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR). Mit Einführung des IS ABV wurde eine wirkungsvolle Vorgehensweise zum Resistenzmonitoring geschaffen und es ist ein steter Rückgang der Antibiotikaverschreibungen zu beobachten. Doch das Eintragen in das IS ABV stellt einen erheblichen administrativen Aufwand dar, sowohl für die Tierärzteschaft als auch für die Industrie. Eine Ausweitung auf weitere antimikrobielle Wirkstoffe und Antiparasitika macht auch aus Sicht der Tierärzteschaft wie auch von scienceindustries keinen Sinn. scienceindustries wird den parlamentarischen Prozess eng begleiten.

Rückstand in der Digitalisierung aufholen

Die Digitalisierung bietet gerade im Gesundheitswesen eine Reihe vielsprechender Chancen u.a. bei der Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten und in der Forschung und Entwicklung, doch besteht bei dieser gerade in der Schweiz grosser Nachholbedarf. Die Thematik der digitalen Transformation im Gesundheitswesen ist hoch aktuell, auch wenn der Bundesrat bereits 2006 ein Kapitel "Gesundheit und Gesundheitswesen" in die Strategie für eine Informationsgesellschaft aufgenommen hat mit Schwerpunkt beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien IKT im Gesundheitswesen ("eHealth"). scienceindustries hat diese Ziele stets unterstützt und setzt sich weiterhin für deren Erreichung ein.

Elektronisches Patientendossier als Schlüsseldossier

Ein zentraler Aspekt der bundesrätlichen Strategie war die Einführung des elektronischen Patientendossiers (EPD). Grundgedanke des EPD ist, dass die Daten nach einer einheitlichen Struktur erfasst und elektronisch ausgetauscht werden können. Um den Nutzen für alle potenziellen Anwender zu erhöhen, will der Bundesrat das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier revidieren.

scienceindustries spricht sich für ein beschleunigtes Vorgehen in der Digitalisierung im Gesundheitswesen aus. Soweit dieses Ziel mit dem EPD erreicht werden kann, begrüsst sie grundsätzlich die Weiterentwicklung des EPD. Es muss jedoch schneller und vor allem koordiniert vorwärts gehen. Des Weiteren befürwortet scienceindustries, dass für die Zulassung von Leistungserbringern das Mitwirken am EPD vorausgesetzt wird. Weitere Schritte müssen folgen, insbesondere eine technologieoffene Interoperabilität des Systems, eine einfache und benutzerfreundliche Ausgestaltung dessen sowie die Förderung der allgemeinen Akzeptanz der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie insbesondere des EPD in der Bevölkerung.

DigiSanté: Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen

DigiSanté ist das Programm des EDI zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. Es entsteht im Auftrag des Bundesrats und wird vom BAG und dem BFS in einer Initialisierungsphase bis Ende 2024 formuliert und soll anschliessend bis Ende 2034 umgesetzt sein. Die Sozialkommission des NR (SGK-N) hat sich für das umfassende Programm DigiSanté sowie den dafür nötigen Verpflichtungskredit über knapp 400 Millionen Franken ausgesprochen. Mit dem grossangelegten Programm sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren die Behandlungsqualität, die Effizienz und Transparenz des Gesundheitssystems sowie die Patientensicherheit erhöht werden. scienceindustries setzt sich für die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens ein und wirkt im Rahmen der Allianz "Digitale Transformation im Gesundheitswesen" in der Arbeitsgruppe DigiSanté mit.

Biomedizinische Forschung

Die biomedizinische Forschung ist zentral für den Innovationsstandort Schweiz. Mit dem Masterplan Biomedizin wollte der Bundesrat die Rahmenbedingungen für Forschung und Technologie stärken. Dieser wurde 2013 initiiert, um Rahmenbedingungen für biomedizinische Forschung und Technologie in der Schweiz zu optimieren und der Bevölkerung den Zugang zu biomedizinischen Produkten zu sichern.

Leider muss zum heutigen Zeitpunkt festgestellt werden, dass die anvisierten Ziele bislang nicht erreicht werden konnten. Die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen schreitet zu schleppend voran und Aktivitäten in der klinischen Forschung sind rückläufig. Gleichzeitig bremsen laufend verschlechterte Rahmenbedingungen den Zugang zu innovativen Therapien aus und gefährden die Versorgungssicherheit mit bewährten Arzneimitteln. In der Konsequenz sind Zeichen einer schleichenden Schwächung des Standortes wie stagnierende Beschäftigungszahlen oder abfliessendes Investitionskapital zu erkennen.

scienceindustries fordert den Bund auf, seine Aktivitäten gezielt und mit nachhaltigem Weitblick zu fokussieren und Einsparungen dort umzusetzen, wo letztlich kein oder nur ein geringer Nutzen für die Allgemeinheit resultiert. Eine zukunftsvisionäre Strategie wird sich nur schon im Interesse der gesamten Gesellschaft auf Bereiche mit hohem Innovationspotenzial, wie beispielsweise die biomedizinische Forschung und Technologie, ausrichten müssen. Eine nachhaltige Investition in diesem Sektor ist unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz langfristig zu sichern und der Bevölkerung weiterhin Zugang zu den neusten biomedizinischen Entwicklungen zu gewährleisten.

Antibiotikaresistenzen – Wie kann die Erforschung neuer Antibiotika gefördert werden

Antibiotika werden sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin zur Bekämpfung bakterieller Infektionskrankheiten eingesetzt. Seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts kann sich die Bevölkerung auf die Wirksamkeit von Antibiotika verlassen. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens und helfen erfolgreich bei bakteriellen Infektionen, bei chirurgischen Eingriffen, Chemotherapien und anderen medizinischen Verfahren. Die Wirksamkeit von Antibiotika ist indes durch Resistenzbildungen vermehrt gefährdet. Es gilt diese wachsende globale Herausforderung gemeinsam anzugehen.

Der medizinische Erfolg sowie die tiefen Preise von Antibiotika führten aber über lange Zeit zu einem hohen Einsatz und damit einhergehender, beschleunigter Resistenzentwicklung der Bakterien. Die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika können durch den Abbau regulatorischer Hürden gefördert werden. Zudem müssen neue Finanzierungsmodelle entwickelt werden, denn neu entwickelte Antibiotika sollten zurückhaltend eingesetzt werden, um zu schneller Resistenzbildung entgegenzuwirken. Die mangelnden Marktaussichten stellen indes keinen Forschungsanreiz dar.

scienceindustries sieht einen denkbaren Ansatz im Subskriptionsmodell: Dabei erhält die Herstellerin eines neuen Antibiotikums eine jährlich fixe Entschädigung, die es ihr erlauben soll, die Entwicklungskosten zu amortisieren und einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Im Gegenzug verpflichtet sie sich zur Bereitstellung des neuen Antibiotikums im benötigten Umfang. Die Entkoppelung der Einnahmen vom Umsatz ermöglicht die Reservehaltung, was die Resistenzentwicklung einschränkte. Ein Schweizer Subskriptionsmodells müsste indes die internationalen Entwicklungen berücksichtigen und sich in diese einfügen.


Schliessen

Newsletter anmelden

scienceindustries News
Standpunkte
Point-Newsletter

 
 

Aussenhandelsstatistik Chemie Pharma Life Science

Weitere Analysen

Export Chemie Pharma Life Sciences Schweiz nach Regionen

Weitere Analysen