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Digitalisierung im Gesundheitswesen

Dossiers - Reformen im Gesundheitswesen

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Digitalisierung bestimmt heute zunehmend das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Auch im Gesundheitswesen hat die Thematik Einzug gehalten und soll inskünftig erhebliche Vorteile, von Effizienzvorteilen bis hin zu Verbesserung der Gesundheitsleistungen, bringen.

11.03.2024

BAK Economics hat im Rahmen der Global Industry Competitiveness Index 2021 Studie auch die "Digital Readiness" der Schweiz untersucht. Abgebildet werden die Rahmenbedingungen und der Stand der Umsetzung der Digitalisierungen sowie der Grad der digitalen Durchdringung in der Forschung und Entwicklung. Bei der digitalen Zukunftsfähigkeit des Gesundheitssystems rangiert die Schweiz auf dem 15. Rang von 63 bewerteten Ländern.

Dänemark liegt mit Abstand an der Spitze. Bei der Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten und bei den politischen Rahmenbedingungen erzielt die Schweiz unterdurchschnittliche Resultate. Eines der Probleme ist, dass das elektronische Patientendossier (EPD) erst kürzlich eingeführt wurde und die Nutzung unzureichend ist. Was die Nutzungsmöglichkeiten der EPD oder die Anzahl Biobanken anbelangt, liegt die Schweiz weit abgeschlagen hinter der europäischen Konkurrenz.

Rückstand in der Digitalisierung aufholen

Die Digitalisierung bietet daher eine Reihe vielsprechender Chancen, doch besteht bei dieser gerade im Schweizer Gesundheitswesen grosser Nachholbedarf. Dies weiss auch die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) und hat darum am 4. Februar 2022 einstimmig die Motion 21.3957 "Digitale Transformation im Gesundheitswesen. Rückstand endlich aufholen!" angenommen.

Der Bundesrat soll demnach unter Einbezug der relevanten Akteure eine konkrete und umfassende Digital-Strategie für den Gesundheitssektor definieren, die über das elektronische Patientendossier hinaus geht. Qualitäts-Standards für hochwertige Gesundheitsdaten und die richtigen Leitplanken für die Schaffung eines digitalisierten Gesundheitswesens sollen vorgegeben werden. Unter Einbezug des Know-how von Hochschulen und Industrie gilt es, ein an den Grundsätzen der Interoperabilität und dem "once-only-Prinzip" orientiertes Gesundheitsdaten-Ökosystem zu erschaffen, wobei ein Wettbewerb der technischen Standards und Ideen ermöglicht wird.

Was lange währt, wird endlich gut?

Die Thematik der digitalen Transformation im Gesundheitswesen ist hoch aktuell, auch wenn sie schon auf eine lange Geschichte zurückblickt: Bereits im Januar 2006 hat der Bundesrat die Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz aus dem Jahr 1998 revidiert. Neu wurde ein Kapitel "Gesundheit und Gesundheitswesen" in die Strategie aufgenommen und Schwerpunkte beim elektronischen Behördenverkehr (E-Government) sowie beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien IKT im Gesundheitswesen ("eHealth") gesetzt. scienceindustries hat diese Ziele stets unterstützt und setzt sich weiterhin für deren Erreichung ein.

Als übergeordnete strategische Ziele von "eHealth" hat der Bundesrat folgende Aspekte vorgesehen: Erstens eine Effizienzsteigerung dank der Koordination der Akteure und Prozesse im Gesundheitswesen. Zweitens die Verbesserung der Qualität und Sicherheit dank durchgängig (nationaler) elektronischer Prozesse. So können Fehler reduziert, die Gesundheit von Patientinnen und Patienten verbessert und letztlich auch Leben gerettet werden. Und drittens schliesslich die Förderung der Wirtschaft: Ein systematischer Aufbau von "eHealth" lässt einen neuen Dienstleistungssektor entstehen. Dieser kann nicht nur zur Optimierung des Gesundheitswesens beitragen, sondern auch zu einem Wirtschaftsfaktor werden, indem die Lebens- und Standortqualität verbessert wird.

Elektronisches Patientendossier als Schlüsseldossier

Ein zentraler Aspekt der bundesrätlichen Strategie war die Einführung des elektronischen Patientendossiers (EPD). Grundgedanke des EPD ist, dass die Daten nach einer einheitlichen Struktur erfasst und elektronisch ausgetauscht werden können. Dadurch sollen bessere Diagnosen und Behandlungen dank umfassender Information möglich sein. Am 15. April 2015 trat das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) in Kraft. Dieses regelt die Rahmenbedingungen für dessen Einführung und Verbreitung. Der Einführungstermin vom 15. April 2020 konnte jedoch aufgrund der komplexen Zertifizierungsverfahren nicht eingehalten werden.

Um den Nutzen für Patientinnen und Patienten, Ärzteschaft, Pflegende, Spitäler, Heime und alle weiteren Gesundheitseinrichtungen zu erhöhen, will der Bundesrat das EPD mit gezielten Massnahmen weiterentwickeln. Hierfür hat er an seiner Sitzung vom 28. Juni 2023 eine entsprechende Revision des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier in die Vernehmlassung geschickt. Wichtige Punkte der Revision sind unter anderem eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, ein Opt-Out-Modell für die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, die Anschlussverpflichtung für ambulant tätige Gesundheitsfachpersonen sowie die Nutzbarmachung der Daten für die Forschung.

scienceindustries spricht sich für ein beschleunigtes Vorgehen in der Digitalisierung im Gesundheitswesen aus. Soweit dieses Ziel mit dem EPD erreicht werden kann, begrüsst sie grundsätzlich die Weiterentwicklung des EPD. Es muss jedoch schneller und vor allem koordiniert vorwärts gehen. Des Weiteren befürwortet scienceindustries, dass für die Zulassung von Leistungserbringern das Mitwirken am EPD vorausgesetzt wird. Weitere Schritte müssen folgen, insbesondere eine technologieoffene Interoperabilität des Systems, eine einfache und benutzerfreundliche Ausgestaltung dessen sowie die Förderung der allgemeinen Akzeptanz der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie insbesondere des EPD in der Bevölkerung.

Strategie eHealth Schweiz 2.0

Ein weiteres zentrales Element der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist die am 14. Dezember 2018 vom Bundesrat verabschiedete und von Bund und Kantonen gemeinsam erarbeitete "Strategie eHealth Schweiz 2.0 2018–2024. Ziele und Massnahmen von Bund und Kantonen zur Verbreitung des elektronischen Patientendossiers sowie zur Koordination der Digitalisierung rund um das elektronische Patientendossier". Die Strategie umfasst drei Handlungsfelder: Digitalisierung fördern (A), Digitalisierung abstimmen und koordinieren (B) und Zur Digitalisierung befähigen (C).

Zurzeit liegen diese Ziele noch in weiter Ferne. Das EPD sichert aktuell lediglich eine "PDF-Dokumenten-Ablage", weshalb verschiedene Akteure mittlerweile einen grundlegenden Neustart fordern. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat im Februar 2022 fast einstimmig (23 zu 1 Stimme) die Motion 22.3015 verabschiedet, die vom Bundesrat ein praxistaugliches Dossier fordert.

Zudem ist eine kohärente «Data Literacy»-Strategie (Datenkompetenz-Strategie), wie sie die Motion 22.3016 fordert, ein wichtiges Element, um die Digitalisierungsbestrebungen im Gesundheitswesen voranzutreiben. Es ist dabei hilfreich, dass die wesentlichen Bundesinstanzen in Zusammenarbeit mit «Data-Literacy»-Fachpersonen und zuständigen Berufsverbänden international kompatible Leitlinien erarbeiten. scienceindustries unterstützt die beiden Vorstösse.

Digitalisierungsideen im Parlament

In der Frühjahrssession 2022 hat der Nationalrat einem Digitalisierungsplan fürs Gesundheitswesen zugestimmt, was auch von scienceindustries begrüsst wird. Dabei wurde die Idee einer persönlichen Gesundheitsnummer, analog der AHV-Nummer, vorgeschlagen (Mo. 21.4373): Der Patientenidentifikator (PID) wäre also eine persönliche Nummer, mit der medizinische Daten jederzeit und überall digital abrufbar sein sollen. Dadurch soll jederzeit rasch auf behandlungsrelevante Daten online zugegriffen werden können. Die Patientinnen und Patienten selbst sollen bestimmen können, wer welche Gesundheitsdaten einsehen und auswerten kann.

Ein zweiter Teil des Digitalisierungsplans ist die Einführung einer "digitalen Patientenadministration" (Mo. 21.4374). Hierbei soll es nicht nur um die digitale Abrechnung zwischen Krankenkassen und Spitälern, Apotheken oder Arztpraxen gehen, sondern auch um den Austausch behandlungsrelevanter Informationen. Somit sollen, wenn die Patientin oder der Patient diese freigibt, Informationen über Vorerkrankungen, frühere Untersuchungen oder Medikationspläne vorliegen und eine effiziente, qualitativ hochstehende und sichere Behandlung sofort möglich sein. scienceindustries erachtet dies als eine spannende, neue Idee.

Konkret für die Digitalisierung hat sich das Parlament ausgesprochen, als am 30. Mai 2023 auch der Ständerat als Zweitrat die Motion 20.3770 "Einführung eines E-Rezepts" angenommen hat. Auch scienceindustries unterstützte diese Motion, denn digitalisierte Rezepte reduzieren mögliche Fehlerquellen und verhindern Rezeptfälschungen, was zu einer höheren Patientensicherheit führt.

Allianz "Digitale Transformation im Gesundheitswesen"

Um sich dem Thema "Digitalisierung im Gesundheitswesen" vertieft anzunehmen, hat sich 2021 eine breit aufgestellte Allianz "Digitale Transformation im Gesundheitswesen" formiert, zu der auch scienceindustries gehört. Die Allianz hat sich am 31. März 2022 zu einem Verein formiert, dem scienceindustries beigetreten ist und die Aktivitäten in diesem wichtigen Themenfeld mitunterstützt. Es ist noch ein weiter Weg bis die Schweiz bezüglich der Digitalisierung im Gesundheitswesen an vorderster Stelle mit dabei ist. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten sowie der generellen Gesundheitsversorgung muss das Thema hohe Priorität geniessen und das bisherige Tempo dringend beschleunigt werden.


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