Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences
Gastbeitrag NZZ am Sonntag: Direktor Stephan Mumenthaler

Innovation

Gastbeitrag NZZ am Sonntag: Direktor Stephan Mumenthaler

An der kommenden Ministerkonferenz der WTO droht eine weitere Aushöhlung des Schutzes des geistigen Eigentums - mit fatalen Folgen

25.02.2024

Wie physisches Eigentum ist auch geistiges Eigentum zentral für unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung – und Basis für Innovation.

Eigentumsrechte sind einer der Grundpfeiler unserer Wirtschaftsordnung. Die meisten Leute wären empört und würden sich mit Händen und Füssen wehren, wenn wildfremde Personen ihr neu gekauftes Auto benutzten oder ungefragt im eigenen Wohnzimmer übernachteten. Wer etwas besitzt, hat alles Recht, darüber zu verfügen und darüber zu entscheiden, wer das benutzen darf - und wer nicht.

Geistiges Eigentum gewinnt an Bedeutung
Leider scheint zunehmend in Vergessenheit zu geraten, dass bei geistigem Eigentum zwingend dasselbe gelten muss. Wenn eine Person oder eine Firma Geld, Zeit und Energie in die Entwicklung eines neuen Produkts oder den Aufbau einer eigenen Marke investiert, muss sichergestellt sein, dass nicht Drittpersonen oder -firmen die neue Erfindung einfach kopieren oder die Marke fälschen.

Gäbe es keine solchen Eigentumsrechte würden Firmen viel weniger in Forschung und Entwicklung investieren, und Konsumenten würden über die wahre "Marke" und damit Qualität des gekauften Produkts getäuscht.

Je wichtiger Innovation und Technologie in einer Gesellschaft werden, umso wichtiger wird auch der Schutz dieser immateriellen Werte. Deshalb verfügen heute praktisch alle Länder über ein Patent- und Markenrecht und regeln diese Fragen in gemeinsamen Verträgen. Dies geschieht auf der bilateralen Ebene mit eigenen Kapiteln in Freihandelsabkommen, auf der regionalen Ebene (z.B. EU) oder auf der multilateralen Ebene im Schosse von internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation WTO oder der Internationalen Organisation für Geistiges Eigentum WIPO.

Globale Geschäfte brauchen globalen Schutz
In einem globalen Business wie beispielsweise der Pharmaindustrie sind Investitionen wirtschaftlich nur vertretbar, wenn ein weltweit starker Schutz der Rechte am geistigen Eigentum gewährleistet ist. Denn die internationale Konkurrenz, insbesondere in Schwellenländern wie China, Brasilien und Indien, wächst rasant. Eine Schwächung der Anreizsysteme für Forschung und Entwicklung sowie ein nachlassender Schutz geistigen Eigentums könnten zu einer Abwanderung von Wirtschafts- und Forschungsaktivitäten aus Europa – und der Schweiz –führen.

Umso mehr kommt der dem Schutz des geistigen Eigentums auf multilateraler Ebene eine entscheidende Bedeutung zu, um einen fairen Wettbewerb auf globaler Ebene zu gewährleisten. So legt das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, kurz: TRIPS) internationale Standards fest. Seitens verschiedener Entwicklungsländer wird wiederholt die Forderung nach einer Aufhebung dieser international gültigen Handelsregeln laut.

Risiko für die Gesundheitsversorgung
Gegen den Patentschutz wird häufig der Vorwurf erhoben, dieser stelle ein Zugangshindernis dar, da er etwa Arzneimittel für Entwicklungsländer unerschwinglich mache. Eine Retrospektive der COVID-19 Pandemie hat gezeigt, dass der Schutz des geistigen Eigentums kein Zugangshindernis darstellte, sondern die schnelle und umfassende Entwicklung von Impfstoffen, Diagnostika und Therapeutika überhaupt erst ermöglichte.

Eine Schwächung des Schutzes des geistigen Eigentums wird den Zugang der Weltbevölkerung zu Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika nicht verbessern, sondern diesen in zukünftigen Gesundheitskrisen verschlechtern.

Die unzureichende Versorgung mit Heilmitteln und Impfstoffen hat in erster Linie mit globaler wie nationaler Governance zu tun. Unzureichendes Management, mangelhafte medizinische Infrastruktur sowie fehlende Aufklärung sind die Hauptursache für eine ungenügende medizinische Versorgung.

WTO-Ministerkonferenz: Keine TRIPS-Ausweitung
Auf Drängen Indiens und Südafrikas wurde an der 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO im Juni 2022 ein sogenannter TRIPS Waiver beschlossen. Alle „Entwicklungsländer“ können darauf basierend auf den Schutz Geistigen Eigentums verzichten, das für die Herstellung und den Vertrieb von Covid-19-Impfstoffen erforderlich ist, einschliesslich aller dafür erforderlichen Verfahren, Technologien und Inhaltsstoffe. Dabei schliesst der Begriff „Entwicklungsland“ sogar Länder wie die Volksrepublik China mit ein.

An der kommenden 13. Ministerkonferenz der WTO im Februar 2024 in Abu Dhabi soll nun auch über die Ausdehnung des Waivers auf Covid-19 Diagnostika und Therapeutika entschieden werden. Es liegt im Interesse der Schweiz, sich im Rahmen der WTO entschieden gegen die Ausweitung des TRIPS-Beschlusses auszusprechen. Denn die schleichende Aushöhlung des Schutzes des Geistigen Eigentums wird weitreichende negative Auswirkungen haben – nicht nur auf den Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz, sondern auch auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in künftigen Gesundheitskrisen und damit letztlich für die hohen Güter Eigentum und Freiheit per se.

Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor scienceindustries, Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

 


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